Nur ein blinder Wähler ist ein guter Wähler

Nächstes Jahr wählen die Baselbieter Regierung und Parlament nur. Ein wichtiges Instrument der Meinungsbildung könnte Smartvote sein. Doch viele Kandidatinnen und Kandidaten wollen sich nicht öffentlich positionieren lassen. Die Polit-Plattform Smartvote gibt Einblick in die politische Gesinnung und Positionierung eines Politikers und einer Politikerin und zeigt uns, den gemeinen Wählern, wo wir die Kandidaten politisch […]

«Wählt uns, auch wenn ihr nicht wisst, wofür wir stehen.» So stellen sich das viel Landratkandidaten vor.

Nächstes Jahr wählen die Baselbieter Regierung und Parlament nur. Ein wichtiges Instrument der Meinungsbildung könnte Smartvote sein. Doch viele Kandidatinnen und Kandidaten wollen sich nicht öffentlich positionieren lassen.

Die Polit-Plattform Smartvote gibt Einblick in die politische Gesinnung und Positionierung eines Politikers und einer Politikerin und zeigt uns, den gemeinen Wählern, wo wir die Kandidaten politisch verorten können. Damit haben wir ein wichtiges Instrument zur Entscheidungsfindung. 

Smartvote ist eine webbasierte Entscheidungshilfe für Wählerinnen und Wähler. In der Schweiz bietet Smartvote seine Dienste seit 2003 an. Auf der Basis eines standardisierten Fragebogens von 30 bis 70 Fragen zu Werten, Einstellungen und sachpolitischen Themen erstellt Smartvote ein Profil des Wählers. Dieses Profil wird anschliessend mit den Profilen von Kandidierenden und Parteien abgeglichen. Dem Wähler wird zum Schluss eine Liste der Kandidierenden mit den ähnlichsten Präferenzen und Einstellungen präsentiert.

Zur Berechnung der Ähnlichkeiten gelangen statistische Verfahren wie zum Beispiel die multidimensionale Skalierung zur Anwendung. Auf einer visualisierten Darstellung, der Smartmap, können wir auf einem einfachen Raster sehen, wo die Kandidaten und Kandidatinnen aufgrund ihrer Antworten zwischen den Polen rechts-links und liberal-konservativ eingeordnet werden können.

Propaganda statt Antworten

Am 8. Februar 2015 sind im Baselland Wahlen. Den Stimmbürgerinnen bleibt also wenig Zeit, sich über die 596 Landratskandidatinnen und -Kandidaten ein Bild zu machen. Gleichzeitig finden auch Regierungsratswahlen statt. Neben den bisherigen Regierungsräten: Sabine Pegoraro, Anton Lauber, Thomas Weber und Isaac Reber, stehen bis dato neu Regula Nebiker, Daniel Münger und Monica Geschwind zur Wahl.

Der Presse kann man jetzt entnehmen, dass die Regierungskandidaten von CVP, FDP und SVP im Kanton Baselland sich der öffentlichen Positionierung durch Smartvote verweigern. Monica Gschwind lässt verlauten: «Ich werde, wie auch die drei anderen bürgerlichen Regierungskandidaten, den Fragebogen nicht ausfüllen.» Ende der Durchsage.

Damit werde ich als Stimmbürger unmissverständlich in die Wüste geschickt. Man verlangt von mir, dass ich die Katze im Sack kaufe. Oder auf die reine Wahlpropaganda und die entsprechenden PR-Sprüche setze. Konkrete Fragen zu Sozialstaat, Familie, Gesundheitswesen, Bildung und Forschung, Migration und Integration und so weiter werden von den zukünftigen Führungskräften des Kantons nicht beantwortet. Das ist eine Zumutung.

Von den 596 Landratskandidaten und -kandidatinnen haben sich lediglich 60 Prozent bei Smartvote angemeldet. Die restlichen 40 Prozent möchten sich offensichtlich, wie die Regierungskandidaten, vor den Wahlen nicht festlegen. Das ist eine bizarre Vorstellung von Demokratie und Transparenz. Eine Wahl als Blindflug für den mündigen Bürger?

Der Stammtisch steht im Internet

Wer früher ein «volksnaher» Politiker oder eine «volksnahe» Politikerin war, tummelte sich jassend an einem Stammtisch oder höflich Prosecco nippend an Apéros und Vernissagen, um dem Volk den Puls zu fühlen. Hier konnten die Politikerinnen und Politiker die Volksstimme hören, erfahren, wo der Schuh drückt und wo die Volksseele aufjault.

Der Stammtisch als Umschlagsplatz von Meinungen und politischen Gesinnungen hat im urbanen Raum und in den heutigen Zeiten vermutlich mehrheitlich ausgedient. Nicht einmal mehr Revolutionen und Aufstände (Arabischer Frühling) werden in Hinterzimmern ausgeheckt: Die Aktivisten suchen sich Öffentlichkeit via Twitter, Facebook und Blogs.

Das scheint unseren lokalen Politikerinnen und Politikern entgangen zu ein. Man sucht die Stimmen der zukünftigen Politikerinnen und Politiker vergeblich im virtuellen Raum. Sie entziehen sich der digitalen Öffentlichkeit grossmehrheitlich.

Über einen Grossteil der 596 Landratskandidaten darf ich vor der Wahl nichts wissen.

Der Landrat im Kanton Baselland besteht aus 90 Politikerinnen und Politikern. Hat der Kanton Baselland mit 279’038 Einwohnerinnen und Einwohnern keine öffentlich relevanten Probleme? Wo bleiben die Stimmen der Politiker, wenn es um die notwendige Meinungsbildung geht? 

Ich erfahre von vielen aktiven und gewählten Politikerinnen und Politikern nichts über ihre Positionen. Offensichtlich darf ich aber auch über einen Grossteil der 596 Landratskandidaten vor der Wahl nichts wissen. Sie melden sich nicht, sie diskutieren nicht mit dem Volk. Sie artikulieren sich auch nicht in den entsprechenden Foren und Blogs und sie verweigern sich Smartvote.

Ein paar versprengte Blogger führen den wichtigen und notwendigen Polit-Diskurs quasi stellvertretend. Die politisch relevanten Exponenten aller Schattierungen bleiben aussen vor. Es ist wie Schattenboxen oder Luftgitarrespielen.

Da muss man sich zu guter Letzt doch fragen: Sind Politikerinnen und Politiker, welche sich dem dringend nötigen politischen Diskurs entziehen und welche es nicht für nötig erachten, vor den Wahlen ihre politischen Positionen zu erläutern, überhaupt wählbar? 

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