Nur Informationsaustausch sichert Finanzplatz

Der Bundesrat gibt die Verteidigung des Bankgeheimnisses gegenüber dem Ausland auf. Stattdessen will er Einfluss nehmen auf die Entwicklung eines globalen Standards für den Informationsaustausch. Unter bestimmten Bedingungen soll die Schweiz diesen dereinst übernehmen.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Aymon Brunetti (Bild: sda)

Der Bundesrat gibt die Verteidigung des Bankgeheimnisses gegenüber dem Ausland auf. Stattdessen will er Einfluss nehmen auf die Entwicklung eines globalen Standards für den Informationsaustausch. Unter bestimmten Bedingungen soll die Schweiz diesen dereinst übernehmen.

Bisher hatte der Bundesrat zur Verteidigung des Bankgeheimnisses auf die Abgeltungssteuer gesetzt: Schweizer Banken führen zwar Steuern auf ausländischen Vermögen ab, behalten die Namen ihrer Kunden aber geheim. Er akzeptierte den Amtshilfe-Standard der OECD und leitete zahlreiche Gesetzesänderungen in die Wege, um etwas Druck vom Schweizer Finanzplatz zu nehmen.

Parallel dazu beauftragte der Bundesrat eine Expertengruppe um den ehemaligen SECO-Chefökonomen Aymo Brunetti mit einem Bericht, der aufzeigen sollte, wie auf dem Schweizer Finanzplatz wieder Ruhe und Rechtssicherheit einkehren könnte.

Der Bericht ist am Freitag erschienen und gibt eine eindeutige Antwort: Will der Schweizer Finanzplatz in der internationalen Vermögensverwaltung auch in Zukunft erfolgreich sein, muss das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland weg. Das Heil sei in einem globalen Standard für den Austausch von Finanzinformationen zu suchen.

Nicht abwarten

Die Experten empfehlen dem Bundesrat in dem Zusammenhang, nicht abzuwarten, dass die OECD einen solchen Standard ausarbeitet und die Schweiz zur Übernahme nötigt. Die Grundidee des Strategievorschlags sei, dass die Schweiz in der internationalen Steuerfrage einen aktiven Schritt mache, erklärt Brunetti am Freitag vor den Bundeshausmedien.

Nur so sei es möglich, dass ihre Anliegen in einen neuen Standard einfliessen könnten. Insbesondere sollen der Datenschutz und das Spezialitätsprinzip gewährleistet und die Reziprozität sichergestellt werden. Ein Anliegen der Schweiz ist es zudem, dass auch Trusts und Sitzgesellschaften von einem neuen Standard erfasst würden.

Als ersten Schritt empfiehlt die Expertengruppe, dass die Schweiz die Vorgaben des Global Forum der OECD vollständig umsetzt. Vor der Übernahme neuer Regeln für die Zukunft müsse zudem eine faire Lösung für bestehende unversteuerte Vermögen gefunden werden. Wenigstens für die Bewältigung der Vergangenheit bietet sich gemäss dem Bericht eine Abgeltungssteuer-Lösung an.

Vorgezogene Verhandlungen mit EU

Mit der EU sollten nach Ansicht der Experten schon vor Einführung eines globalen Standards Verhandlungen über den automatischen Informationsaustausch aufgenommen werden. Bedingung ist aber, dass der Marktzugang für die Schweizer Vermögensverwaltung in der EU gewährleistet ist. Die Schweiz ist diesbezüglich unter Druck, weil neue Richtlinien den Marktzugang stark einzuschränken drohen.

Der Bundesrat hat den Bericht erst zur Kenntnis genommen. Bis im September soll Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf daraus Schlussfolgerungen ableiten. Schon am Freitag skizzierte sie aber, wie die neue Finanzplatzstrategie des Bundesrats aussehen könnte.

Wenn in der G20, der OECD und auf den wichtigsten Finanzplätzen der Standard zum Informationsaustausch anerkannt und eingeführt sei, wolle der Bundesrat eine Vorlage dazu ins Parlament bringen, sagte Widmer-Schlumpf. Als weitere Bedingungen formulierte sie eine Regulierung von Altgeldern nach geltendem Recht sowie die Sicherung des Marktzugangs in der EU.

Semeta: «Keine Süssigkeiten»

Diese will mit der Schweiz über die Ausweitung der Zinsbesteuerung und den automatischen Informationsaustausch verhandeln. Dazu reist EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta am nächsten Montag nach Bern.

Vor den Medien in Brüssel machte er bereits klar, dass er mit der Schweiz unabhängig von der Entwicklung globaler Standards und vor allem rascher eine Lösung finden wolle. Anzubieten hat er im Gegenzug nichts: «Ich bringe keine Süssigkeiten in meiner Tasche mit», sagte er.

Süssigkeiten erwartet Widmer-Schlumpf zwar nicht, wohl aber die Gewähr, dass Schweizer Vermögensverwalter auch in Zukunft auf dem EU-Markt Geschäfte machen können. Der Ausgangspunkt sei aber die Zinsbesteuerungsrichtlinie. Bevor sie diese nicht gesehen habe, könne sie sich zu den weiteren Gesprächen mit der EU nicht äussern.

Auch im Bezug auf die Vorgaben des Global Forum der OECD dämpfte sie die Erwartungen. Fortschritte werde es wohl kaum so rasch geben wie von der Expertengruppe gefordert. Man wisse ja, wie das sei im Parlament mit dringlichen Verfahren, sagte sie in Anspielung auf die Debatte zum Steuerstreit-Gesetz. In der ausserordentlichen Session zum Finanzplatz vom nächsten Donnerstag will Widmer-Schlumpf vertieft über mögliche Strategien Auskunft geben.

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