Einst demonstrierten Tausende gegen das Treffen der Mächtigen in Davos, in den letzten Jahren war es jeweils noch ein Häufchen. Inzwischen erhebt nur noch Henning Zierock die Stimme gegen das WEF, gewappnet mit einer tief pazifistischen Überzeugung und seiner Gitarre.
Wie letztes Jahr hat Henning Zierock, der Präsident der «Gesellschaft Kultur des Friedens» aus Tübingen, ein Demonstrationsgesuch eingereicht und von der Davoser Regierung grünes Licht bekommen. Und wie letztes Jahr wird sich auch am Samstag nur eine Handvoll Menschen um den Friedensaktivisten aus Deutschland scharen.
Doch davon lässt sich Zierock nicht beirren: «In Davos sind wir wenige, aber wir sprechen für viele», sagte er der Nachrichtenagentur sda. Er wolle aufzeigen, welche Folgen die «nicht sehr vorausschauende» Politik habe, die auch in Davos gemacht werde – und zwar aus Sicht der Betroffenen.
«Gitarren statt Knarren»
Nachdem sich die «Gesellschaft Kultur des Friedens» das ganze Jahr über auf der griechischen Insel Lesbos um ankommenden Flüchtlinge gekümmert hat, kann Zierock aus dem Vollen schöpfen. Von diesen Schicksalen will er in Davos aus erster Hand berichten.
Denn der Aktivist ist überzeugt, dass solche Fluchtbewegungen immer auch mit Wirtschaftsfragen zusammenhängen. «Lebensinteressen dürfen aber nicht den Interessen der Wirtschaft untergeordnet werden», sagte er. Dafür wolle er sich vor Ort einsetzen.
Immer dabei hat Zierock sein Instrument. Das Motto «Gitarren statt Knarren» bekommt für ihn vor dem Hintergrund der Vorfälle in Köln neue Bedeutung. Gerade Musik könne helfen, die vielen Flüchtlinge aus anderen Kulturen in unserer Gesellschaft zu integrieren, sagte er.
Musik ist auf den Davoser Strassen auch von der christliche Gemeinschaft Fingerprint aus Winterthur zu erwarten. Die Gläubigen wollen den WEF-Teilnehmern und Passanten Guetzli verteilen und so ihre Bedenken gegen die Globalisierung in eine positive Botschaft verpacken, wie Stephan Maag von Fingerprint auf Anfrage sagte.
Ein leises Zeichen setzt jeweils auch der Aktivist Alec Gagneux mit der «Interkulturellen Veranstaltung beim Denk-Mal für Alle». Und das Bündnis gegen Nahrungsmittelspekulation nutzt das WEF am Donnerstag als Plattform, um auf seine Initiative aufmerksam zu machen.
Davos den Rücken gekehrt
Die Davoser Grünen hingegen haben ihren Widerstand aufgegeben. Nach den Krawallen um die Jahrhundertwende hatten sie in den letzten Jahren die Tradition Anti-WEF-Proteste am Leben erhalten. Doch zuletzt liessen dafür sich nur noch ein paar Dutzend Menschen mobilisieren.
Letztes Jahr reichten die Grünen dann kein Demonstrationsgesuch mehr ein. Es sei schwierig, ohne sichtbaren Nutzen immer dasselbe zu machen, erklärte Parteisekretär Rolf Marugg der «Südostschweiz».
Aufgegeben hat auch das Public Eye, das in den letzten Jahren jeweils einen Schmähpreis für verantwortungsloses Unternehmertum verliehen hat. Die Trägerorganisationen Erklärung von Bern (EVB) und Greenpeace konnten sich mit ihrer Kritik gegen das WEF profilieren. Mit der Konzernverantwortungsinitiative ist es ihnen aber inzwischen gelungen, ihr Anliegen auf die politische Agenda zu heben.
Die barbusigen Femen-Aktivistinnen haben sich in den letzten Jahren in Davos ebenfalls nur unregelmässig blicken lassen. Der Zauberberg ist als Plattform für Unzufriedene uninteressant geworden. Hingegen entdeckt gerade der Kommerz die Davoser Strasse. Verteilaktionen sind zwar nicht bewilligungspflichtig, müssen aber mit der Polizei abgesprochen werden.