Obama im Goldgräberstaat

Der US-Präsident besucht vor dem 6. November ein letztes Mal Kalifornien, um seine Wahlkampfkasse aufzufüllen. Ein Bericht aus San Francisco. Wenige Demokraten würden eine Dinner-Einladung mit Barack Obama ausschlagen. Selbst wenn sie das Vergnügen 20’000 Dollar kostet. Aaron Levie schon. Der Mitgründer und Chef des aufstrebenden Online-Speicherdiensts «Box» war – zum Preis von 20’000 Dollar […]

U.S. Präsident Barack Obama bei seiner Rede im Bill Graham Civic Auditorium in San Francisco.

Der US-Präsident besucht vor dem 6. November ein letztes Mal Kalifornien, um seine Wahlkampfkasse aufzufüllen. Ein Bericht aus San Francisco.

Wenige Demokraten würden eine Dinner-Einladung mit Barack Obama ausschlagen. Selbst wenn sie das Vergnügen 20’000 Dollar kostet. Aaron Levie schon. Der Mitgründer und Chef des aufstrebenden Online-Speicherdiensts «Box» war – zum Preis von 20’000 Dollar – eingeladen, am Montagabend zusammen mit rund 100 prominenten und betuchten Vertretern des Silicon Valley und dem US-Präsidenten zu essen. «Ich bin ein grosser Obama-Fan, aber ich spende noch nicht so grosse Summen – ich bin noch nicht mal 30», sagte der 27-jährige Levie.

Aber der hibbelige Jungunternehmer mit dem bereits ergrauenden Wuschelhaar hatte eine «gute Ausrede» für seine Absage an die Obama-Kampagne, erzählte er mir am Montagnachmittag am Rande seiner Boxworks-Konferenz im Westin St. Francis in San Francisco: «Wir veranstalten hier gerade unsere Kundenkonferenz, die von vielen Chief Information Officers besucht wird, und ich habe nur zwei Tage Zeit, um mit ihnen zu reden – da kann ich nicht weg.»

Obama wird Levies Abwesenheit im spendenbereiten Golden State verkraften. Der Präsident war auf einer letzten Kalifornientour – seiner zwölften als Präsident – um vor den Wahlen im November seine Wahlkampfkasse weiter aufzufüllen. Die zweitägige Reise sollte mindestens 9,5 Mio. Dollar einbringen.

Die Präsidentenmaschine Air Force One landete am Montag kurz vor 14 Uhr Ortszeit in San Francisco. Die erste von drei Veranstaltungen am Montag fand im Intercontinental Hotel im Szeneviertel SOMA statt. Gegenüber ist Square zuhause, das andere Startup von Twitter-Mitgründer Jack Dorsey. 25 Gäste bezahlten 40 000 Dollar pro Person, um den Präsidenten zu treffen.

Nach dem Fundraiser raste Obama ins Bill Graham Civic Auditorium gegenüber vom Rathaus. Dort kochten die berühmten Köche Alice Waters und Tyler Florence für Geldgeber, die für das eingangs erwähnte Dinner mit dem Kandidaten der Demokraten die 20’000 Dollar hingeblättert hatten. Ein Besuch in Alice Waters’ legendärem Restaurant Chez Panisse in Berkeley ist zwar auch nicht billig, aber man kommt mit einer zwei- oder dreistelligen Summe aus – und kann sich auf die Köstlichkeiten auf dem Teller konzentrieren. Dafür speist man eventuell nicht im Beisein des Star-Quarterbacks Alex Smith der San Francisco 49ers – und sicherlich nicht mit Obama. «Ich habe vor, diese Wahl zu gewinnen, aber wir schaffen es nur, wenn alle die nächsten 29 Tage nahezu obsessiv sind», versicherte Obama bei der Veranstaltung.

Später spielten bei einer Kundgebung und einem Fundraising-Konzert Musiker wie der Musiker und Dichter Michael Franti und der R&B-Sänger John Legend für 6000 Leute. Vor dem Bill Graham Civic Auditorium versuchten sich derweil an die 50 Demonstranten mit unterschiedlichen Anliegen Gehör zu verschaffen. Marihuana-Befürworter protestierten gegen das schärfere Vorgehen der Bundesbehörden gegen medizinischen Cannabis, Kriegsgegner der pazifistischen Bürgerrechtsbewegung «Code Pink» gegen den Drohneneinsatz in Pakistan und Tea-Party-Mitglieder gegen Obama.

Obwohl auch Obamas republikanischer Gegner Mitt Romney im Silicon Valley viele vermögende Anhänger hat – Hewlett-Packard-Chefin und Multimilliardärin Meg Whitman etwa ist eine alte Bekannte aus Bain-Zeiten – haben die Demokraten und Obama bei den Techies die Nase vorn. Obama sei der erste Präsident, der «Technologie rafft», sagt Box-Chef Levie, eine Meinung, die viele hier vertreten. Romney gilt hingegen als Verbündeter der Old Economy.

Die Obama-Kampagne hat die Organisation «Technology for Obama» (T4O) ins Leben gerufen, um das Silicon Valley Technologiebranche anzuzapfen. Tech-Grössen wie Facebooks operative Chefin Sheryl Sandberg und der Salesforce.com-Chef Marc Benioff haben in ihren Villen Fundraising-Veranstaltungen organisiert, für die die Gäste fünfstellige Summen hinblätterten. Für die Jungstars der Szene, die sich so etwas noch nicht leisten können oder wollen, gibt es andere Möglichkeiten. «Ich habe für T4O ein Video gedreht, in dem ich über Obama und Technologie spreche», erzählt der hyperaktive Box-Chef Levie und kippt den Stuhl so weit nach hinten, dass er fast umfällt. «Ich liebe Obama!»

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