Die umstrittene Einwanderungspolitik von US-Präsident Barack Obama steht seit Montag beim Obersten Gericht des Landes auf dem Prüfstand. Das Urteil soll Ende Juni ergehen.
In einer 90-minütigen Anhörung des Supreme Court in Washington zu den Verordnungen, die bis zu fünf Millionen illegale Einwanderer vor allem aus Lateinamerika vor der Abschiebung schützen sollen, wurden bereits gegensätzliche Positionen unter den Richtern deutlich.
Angesichts des erbitterten Widerstands der Republikaner im Kongress hatte Obama im November 2014 im Alleingang angeordnet, Eltern von Kindern mit US-Staatsbürgerschaft oder legalem Aufenthaltsstatus unter bestimmten Voraussetzungen eine befristete Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.
Dagegen klagten unter Federführung von Texas 26 republikanisch regierte Bundesstaaten. Zwei Gerichte gaben ihnen Recht, woraufhin Obamas Regierung den Supreme Court anrief.
Gericht gespalten
Der Vorsitzende des Richterkollegiums, John Roberts, und sein Kollege Anthony Kennedy widersprachen in der Anhörung am Montag wiederholt den Argumenten des Rechtsvertreters der Regierung. Beide Richter gehören dem konservativen Lager in dem Kollegium an.
Kennedy sagte, es sei «Aufgabe des Gesetzgebers und nicht Aufgabe der Exekutive», darüber zu entscheiden, welche Einwanderer in den USA bleiben dürften. Mit Obamas Vorgehen werde die Rollenverteilung zwischen Regierung und Kongress umgedreht.
Die Richter des linksliberalen Flügels stützten dagegen die Argumentation der Regierung. Wenn Texas Recht gegeben würde, würde dies das Tor dazu öffnen, dass die Bundesstaaten eine ganze Bandbreite von landesweit geltenden Regulierungen anfechten, führte die Richterin Sonia Sotomayor ins Feld. Die erste hispanische Richterin in der Geschichte des Supreme Court war von Obama im zweiten Jahr seiner Amtszeit nominiert worden.
Patt im Supreme Court
Am Obersten Gericht gibt es derzeit ein Patt von jeweils vier konservativen und vier linksliberalen Richtern. Eigentlich besteht das Kollegium aus neun Mitgliedern. Doch seit dem überraschenden Tod des erzkonservativen Richters Antonin Scalia im Februar ist eine Stelle unbesetzt.
Als Nachfolger hatte Obama im März den Bundesrichter Merrick Garland vorgeschlagen. Die Nominierung muss jedoch vom Senat genehmigt werden, wo die Republikaner die Mehrheit haben.
Diese blockieren bislang den weiteren Ernennungsprozess mit dem Argument, erst Obamas Nachfolger solle über den freigewordenen Richtersitz befinden. Die Amtszeit des Präsidenten endet im Januar.
Ebenso wie die Besetzung am Supreme Court ist auch die Einwanderungspolitik ein hochkontroverses Thema im derzeitigen US-Wahlkampf. Sollten sich die beiden Lager im Supreme Court bei der Entscheidung über Obamas Verordnungen gegenseitig blockieren, hätten die Urteile der unteren Instanzen weiter Bestand – für den Präsidenten wäre dies kurz vor Ende seiner Amtszeit eine schwere Niederlage.
Vor dem Gebäude des Supreme Court auf dem Kapitolshügel demonstrierten am Montag hunderte Befürworter überwiegend lateinamerikanischer Herkunft für die Einwanderungspolitik des Präsidenten. «Lasst die Familien zusammen bleiben» war auf Transparenten zu lesen.