In den Spielen der Gruppe F kommen am Dienstag die letzten vier Teams zu ihrem ersten EM-Auftritt. Österreich trifft in Bordeaux auf Ungarn, in Saint-Etienne erfolgt der Kickoff zu Portugal – Island.
In Österreich hat Trainer Marcel Koller, der als Bub beim FC Schwamendingen seine ersten fussballerischen Schritte machte, eine Euphorie entfacht, die ihresgleichen sucht. Der ORF, das österreichische Fernsehen, startet bereits um die Mittagszeit mit «Noch 6 Stunden, live» sein Programm, um 13.00 Uhr folgt «Noch 5 Stunden, live», und so geht es in einem stündlichen Countdown gleich bis zum Anpfiff um 18.00 Uhr weiter.
Die Teilnahme an einem grossen Turnier stellt für Österreich – im Gegensatz zur Schweiz – keine Selbstverständlichkeit dar. Erstmals überhaupt konnte sich die Auswahl des ÖFB auf sportlichem Weg für eine EM-Endrunde qualifizieren. 2008 an der Heim-EM resultierte ein Punkt gegen Polen, doch wegen der Niederlagen gegen Kroatien und Deutschland war nach der Vorrunde Schluss. Drei Zähler gegen die Ungarn wären deshalb gleichbedeutend mit dem ersten Sieg an einer EM.
Ein Erfolg scheint Pflicht, vor allem nach der Qualifikation, in der die Österreicher mit ihrem Schweizer Trainer ungeschlagen blieben, neun ihrer zehn Spiele gewannen und ihr Land emotional gleichsam umpflügten. Der letzte Sieg an einem grossen Turnier liegt schon 26 Jahre zurück. An der WM 1990 schlug Österreich in Florenz die USA mit 2:1, schied aber dennoch in der Vorrunde aus.
In den letzten Testspielen konnte Österreich allerdings nicht sonderlich überzeugen. Koller trat deshalb auf die Euphorie-Bremse. «Wir haben eine gute Qualifikation gespielt, aber ich bin keiner, der in der Vergangenheit lebt. Wir müssen wieder in die Gänge kommen», warnte der Zürcher. «Die Ungarn stehen defensiv gut, spielen gute Konter und sind bei Standards gefährlich.»
Offen bleibt, ob Koller im Sturm Marc Janko in die Startelf berufen kann. Der Angreifer des FC Basel klagte zuletzt über eine Muskelverspannung im Nacken und leichte Oberschenkelprobleme. Neben Janko figuriert im ÖFB-Kader auch noch Jakob Jantscher vom FC Luzern, ansonsten vertraut Koller vor allem auf Kicker aus der deutschen Bundesliga. Fast zwei Drittel seiner Spieler verdienen ihr Geld dort. Sogar der deutsche Bundestrainer Joachim Löw hat weniger Bundesliga-Profis im Kader als Koller.
Gegner Ungarn qualifizierte sich im Playoff gegen Norwegen erstmals nach 44 Jahren wieder für eine EM-Endrunde. Erstmals seit der WM 1986 spielen die Ungarn zudem an einem grossen Turnier mit. In der Ausscheidung zu jener Endrunde in Mexiko schlugen sie Österreich gleich zweimal. Es waren die bisher letzten Pflichtspiele der beiden früher so eng verbundenen Länder.
Wie fit ist Ronaldo?
Was Gareth Bale für Wales oder Zlatan Ibrahimovic für Schweden verkörpert, ist Cristiano Ronaldo für Portugal – der unverzichtbare Garant für das Aussergewöhnliche. «Wir können es nicht leugnen. Es ist schon ein Unterschied, ob Cristiano dabei ist oder nicht», sagt selbst der portugiesische Coach Fernando Santos. Man muss sich nur die WM 2014 vor Augen halten. Damals litt der auf der Atlantik-Insel Madeira geborene Superstar an Schmerzen in der Patellasehne. Mit ihm litt auch Portugal und blieb in der Gruppenphase auf der Strecke.
Die zentrale Frage also bleibt: Wie fit ist Ronaldo? Im Final der Champions League kämpfte sich der inzwischen 31-jährige Ausnahmekönner mit muskulären Problemen im Oberschenkel über die Runden. Es reichte dennoch zum Sieg im Penaltyschiessen, in dem er den entscheidenden Elfmeter verwandelte. Aber seine Mitspieler von Real Madrid sind halt noch immer von einem anderen Kaliber als die Kollegen aus Portugal, mit denen er noch keinen Titel gewann. So nahe wie 2004, als erst der Final gegen Griechenland verloren ging, war Cristiano Ronaldo dem grossen Ziel nie mehr. Er wird übrigens gegen Island sein 127. Länderspiel bestreiten und damit den Rekord seines einstigen Idols Luis Figo egalisieren.
Der EM-Debütant Island, mit gut 330’000 Menschen der bevölkerungsärmste Vertreter in Frankreich, hat zwar weniger Einwohner als die Stadt Zürich, schöpft seine Hoffnungen aber aus der Qualifikation, zu der auch Birkir Bjarnason vom FC Basel seinen Anteil leistete. Die Isländer schlugen die Niederlande gleich zweimal. Wer das schafft, kann auch gegen Portugal (Spielbeginn 21.00 Uhr) bestehen, sind sie im hohen Norden überzeugt.