Bis vor kurzem schien klar: Der Nachtzugverkehr in Europa mit Liege- und Schlafwagen steht vor dem Aus. Nun geht es aber definitiv weiter: Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) übernehmen fast die Hälfte des Angebots der Deutschen Bahn (DB).
Die ÖBB bieten ab dem 11. Dezember sechs neue Nachtverbindungen in Deutschland an, eine davon auch in die Schweiz. Der blaue «Nightjet» werde auf insgesamt 15 Strecken rollen und soll vermehrt deutsche Fahrgäste befördern, kündigte ÖBB-Chef Andreas Matthä am Freitag in Wien an.
Profitieren kann aber auch die Schweiz. Ab Zürich gibt es tägliche Verbindungen nicht nur nach Berlin und Hamburg, sondern auch nach Wien, Graz, Budapest, Prag, sowie nach Villach und Zagreb.
40 Millionen Euro
Die ÖBB investieren dafür 40 Millionen Euro in Beschaffung und Umbau der Fahrzeuge. Die DB stellt ihrerseits ihre Nachtzüge komplett ein. Rund 40 Prozent davon übernimmt die ÖBB. Dazu werden 15 Liegewagen und 42 Schlafwagen der DB aufgekauft und umgebaut. Gemeinsam mit den 59 bestehenden Liegewagen und 10 Schlafwagen werden künftig also 74 Liegewagen und 52 Schlafwagen als ÖBB-«Nightjets» quer durch Mitteleuropa rollen.
Pro Bahn Schweiz, die Interessenvertretung der Bahnkundinnen und -kunden, äusserte sich zufrieden. Erfreulich sei auch, dass die SBB Hand geboten und Fahrplantrassen für Nachtzüge bis zum Entscheid der ÖBB freigehalten habe. Angesichts günstigerer Tickets sei zu hoffen, dass Reisende den Nachtzug statt das Flugzeug nähmen.
Hoffen auf andere Anbieter
Anders reagierte der Verein umverkehR, der sich zusammen mit weiteren Organisationen gegen den Abbau bei den Nachtzügen gewehrt hatte: Trotz der Übernahmepläne der ÖBB werde abgebaut, kritisierte er. Zu hoffen sei, dass andere Anbieter die Lücken erkennen und nutzen würden.
Die bisher getrennt geführten Züge von Zürich nach Berlin und Hamburg würden in einem Zug zusammengeführt und das Angebot damit halbiert. Einen Platz zu ergattern, werde so schwierig. Die Verbindungen von der Schweiz via Dresden nach Prag sowie von Zürich nach Amsterdam ganz gestrichen, bemängelt umverkehrR.
Die ÖBB-Ziele sind ambitioniert: Bis 2020 will die Bundesbahn mit dem erweiterten Angebot 1,8 Millionen zusätzliche Fahrgäste befördern, also jährlich um 0,6 Millionen mehr. Derzeit sind jährlich eine Million Fahrgäste in ÖBB-Nachtreisezügen unterwegs. Das Nachtgeschäft macht 17 Prozent des Fernverkehrsumsatzes aus und ist profitabel.
Die Deutsche Bahn hatte bereits Ende 2015 bekanntgegeben, alle bisherigen Linien des klassischen Nachtzugverkehrs in diesem Dezember «in einem Schritt» einzustellen. Als Grund wurden jahrelange Verluste in diesem Geschäft genannt. So seien 2015 bei rund 90 Millionen Euro Umsatz 31 Millionen Euro Minus herausgekommen.