Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge muss in Zukunft berücksichtigt werden, ob ein Unternehmen Lehrlinge ausbildet – sofern nicht internationale Verpflichtungen dagegen sprechen.
National- und Ständerat hatten die Gesetzesänderungen bereits gutgeheissen, wonach Lehrlingsausbildung künftig ein Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sein soll. Offen war noch, ob es bei allen Beschaffungen gelten würde oder nicht. Am Dienstag ist der Nationalrat nun dem Ständerat gefolgt und hat eine Ausnahmeregelung gutgeheissen. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung.
Neu wird die Ausbildung von Lernenden in den Katalog der Zuschlagskriterien aufgenommen. Die Auflage beschränkt sich aber auf jene öffentlichen Beschaffungen, die nicht Staatsverträgen unterstellt sind.
Drohende Diskriminierung
Eine solche Einschränkung hatte auch der Bundesrat empfohlen, um die Änderungen des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen in Einklang mit den Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der WTO und der EU zu bringen. Ohne Ausnahmen könnte das Lehrlings-Kriterium nämlich zur Diskriminierung ausländischer Anbieter führen, da viele Staaten kein duales Ausbildungssystem kennen.
Die SVP wollte dennoch auf die Ausnahme verzichten. Das Lob der dualen Berufsbildung sei sonst ein Lippenbekenntnis, kritisierte Sylvia Flückiger (SVP/AG). Wenn das Ausbildungskriterium durch die Schweiz nicht angewendet werden dürfe, würden letztlich die ausbildenden Unternehmen diskriminiert. Die Schweiz dürfe ihre Trümpfe nicht aus der Hand geben.
Eigentor vermeiden
Unterstützung erhielt die SVP aus den Reihen der SP. Das Parlament solle keine Scheinlösung schaffen, forderte Corrado Pardini (SP/BE). Mit der Ausnahmeregelung würde das Kriterium praktisch bei allen Ausschreibungen mit ausländischen Mitbewerbern ausgeblendet.
Der Rat lehnte den Antrag gegen die Ausnahmeregelung aber mit 95 zu 87 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Die Mehrheit war der Auffassung, dass Risiko sei zu gross, dass sich die Schweiz auf internationaler Ebene Probleme einhandeln würde. «Wenn wir internationale Regeln verletzen, schwächen wir uns selbst», gab Jean-René Germanier (FDP/VS) zu bedenken. Er sprach von einem klassischen Eigentor.
Zu wenige statt zu viele Lehrlinge
Die Gesetzesänderung geht auf eine parlamentarische Initiative des Luzerner CVP-Nationalrats Ruedi Lustenberger aus dem Jahr 2003 zurück. In den Beratungen stellten viele fest, seither habe sich die Lage stark verändert, heute mangle es an Lehrlingen und nicht mehr an Lehrstellen. Die Räte haben das neue Kriterium nun aber trotzdem im Gesetz verankert.
Laut Gesetz muss das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten. Es wird ermittelt, indem verschiedene Kriterien berücksichtigt werden. Neben der Ausbildung von Lernenden sind dies insbesondere Termin, Qualität, Preis, Wirtschaftlichkeit, Betriebskosten, Kundendienst, Zweckmässigkeit der Leistung, Ästhetik, Umweltverträglichkeit, und technischer Wert.