Der Ärztestopp ist in der Schlussabstimmung der neuen rechtsbürgerlichen Mehrheit im Nationalrat zum Opfer gefallen. SVP und FDP haben am Freitag die Vorlage versenkt, mit der die Zulassung neuer Ärzte von einem Bedürfnis abhängig gemacht werden sollte.
Die Abstimmung ging mit 97 zu 96 Stimmen bei einer Enthaltung denkbar knapp aus, die Vorlage ist damit aber endgültig vom Tisch. Diese hatte zum Ziel, den seit 2001 provisorisch geltenden Zulassungsstopp dauerhaft ins Gesetz zu schreiben. Heute können die Kantone die Zulassung neuer Ärztinnen und Ärzten von einem Bedürfnis abhängig machen, der Bundesrat legt die Kriterien für den Bedürfnisnachweis festlegt.
Damit wird vor allem der Zustrom von Ärzten aus dem Ausland eingedämmt: Mediziner, die mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, benötigen keinen Bedürfnisnachweis.
Viermal mehr Zulassungen
Was ohne Zulassungsstopp geschieht, hat sich bei dessen vorübergehender Aufhebung gezeigt. 2012 liessen sich doppelt so viele Ärzte in der Schweiz nieder wie im Vorjahr, im Kanton Tessin vervierfachte sich die Zahl der Neuzulassungen sogar. Weil unter dem Regime des Vertragszwangs mehr Ärzte nachweislich zu höheren Kosten führen, zog das Parlament 2013 die Notbremse und führte den Zulassungsstopp wieder ein, befristet auf drei Jahre. Diese Regelung läuft Mitte 2016 aus.
Als Anschlusslösung schlug der Bundesrat vor, dass die Kantone über die Notwendigkeit eines Zulassungsstopps entscheiden können sollten. Dabei sollte nicht nur die Zulassung von Ärzten eingeschränkt werden können, sondern auch jene von Apothekern, Chiropraktoren, Hebammen, Ergotherapeuten und anderen ambulanten Leistungserbringern. Im Sinne eines Minimalkonsenses entschied das Parlament dann aber, die heute geltende Regelung dauerhaft ins Gesetz zu schreiben.
Im Ständerat gab es dagegen relativ wenig Widerstand. Im Nationalrat hingegen hatten sich FDP und SVP schon in der letzten Herbstsession gegen die Lösung zur Wehr gesetzt, aber keine Mehrheit erreicht. Doch die Kräfte haben sich nach den Wahlen vom 18. Oktober verschoben: Dank einem geschlossenen Votum kam der Rechtsblock in der grossen Kammer auf eine Stimme mehr.
Kosmetische Massnahmen keine Lösung
Das Problem der hohen Ärztedichte und der steigenden Kosten lasse sich nicht mit einer kosmetischen Massnahme lösen, sagte FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis (TI) der Nachrichtenagentur sda nach der Abstimmung. Man könne noch so viele Steuerungsmechanismen mit zusätzlicher Bürokratie und Kontrollstellen schaffen und trotzdem kein vernünftiges Resultat erreichen.
Das Rezept der FDP heisst flexible Preise. Schon im letzten Mai hat die Fraktion eine Motion eingereicht mit der Forderung, dass es den Vertragspartnern erlaubt werden soll, regional abgestufte Preise auszuhandeln. Nach der Logik von Angebot und Nachfrage würde das dazu führen, dass Mediziner in Gebieten mit hoher Ärztedichte für die gleiche Leistung weniger Geld erhalten als in Gebieten mit wenig Konkurrenz. Die FDP möchte auch Qualitätskriterien in die Preisgestaltung einfliessen lassen.
Das werde den Ärzten nicht gefallen, sagte Cassis, der selber Mediziner ist. «Aber wir können das Problem der steigenden Kosten nicht angehen, wenn wir nicht bereit sind, uns mit den Preisen auseinanderzusetzen.»
SVP für Vertragsfreiheit
Die SVP will noch weiter gehen: Sie macht sich für die Vertragsfreiheit zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern stark, wie Nationalrat Sebastian Frehner (BS) der sda sagte. Er ist überzeugt, dass sich die Überversorgung nicht durch Abschottung bekämpfen lasse. Qualität könne nur im Wettbewerb erreicht werden. «Gute Ärzte werden kein Problem haben, mit den Versicherern gute Verträge abzuschliessen», ist Gesundheitspolitiker Frehner überzeugt.
Gesundheitsminister Alain Berset wies in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass das Parlament den Kantonen die Möglichkeit genommen habe, 40 Prozent der Prämienkosten zu beeinflussen. Die letztmalige Aufhebung des Zulassungsstopps habe gezeigt, dass mit einem namhaften Zustrom von Spezialisten zu rechnen sei, was die Gesundheitskosten und damit die Prämien in die Höhe treiben werde.