Nach beinahe einem Jahrhundert Unterbruch feiert die Sportart Rugby in Rio ihr olympisches Comeback. Ebenfalls zurück im Olympia-Programm ist Golf – mit zwei Schweizerinnen am Start.
Nicht wie sonst üblich, wenn Milliarden von TV-Zuschauern die Rugby-Weltmeisterschaft mit 15 gegen 15 Spielern verfolgen, stehen an den Olympischen Spielen lediglich je 7 Akteure pro Team auf dem Platz. Das 7er-Rugby wird vom internationalen Verband World Rugby gefördert und unterscheidet sich vor allem aufgrund der Teamgrösse und der Spieldauer von der herkömmlichen Variante.
Im Gegensatz zum Format Rugby Union dauert eine Halbzeit nicht 40, sondern lediglich 7 Minuten (im Final 10). Dadurch wird die Spielzeit massiv verkürzt. Das olympische Turnier erstreckt sich deshalb nur über drei Tage. Zum Vergleich: Die letzte Rugby-WM im vergangenen Herbst dauerte sechs Wochen.
Medaillen werden sowohl bei den Frauen (6. bis 8. August) wie auch bei den Männern (9. bis 11. August) vergeben. Gespielt wird im 15’000 Zuschauer fassenden Deodoro Stadium, wo auch Teile des Modernen Fünfkampfes ausgetragen werden.
Das neue Format verspricht einiges an Spektakel. Ähnlich wie im Eishockey, wo neu in der Verlängerung 3 gegen 3 gespielt wird, ergeben sich auf dem Feld grössere Freiräume. Deshalb sind schnelle und bewegliche Spieler im Vorteil. Diesem Anforderungsprofil entspricht Fidschi ziemlich gut. Der pazifische Inselstaat gehört neben dem aktuellen Weltmeister Neuseeland, Grossbritannien und Südafrika beim «Rugby seven» zur Weltspitze.
Eine Olympia-Medaille liegt für den Weltmeister von 1997 und 2005, der sich kürzlich zum zweiten Mal in Folge den Sieg der jährlich veranstalteten «World Rugby Seven Series» gesichert hat, absolut in Reichweite. Für Fidschi, ein Kleinstaat mit weniger als einer Millionen Einwohner, wäre ein Triumph historisch. Noch nie bei all seinen 13 Olympia-Teilnahmen ist Fidschi bisher im Medaillenspielgel aufgetaucht.
Bei den Frauen, wo seit 2009 WM-Medaillen vergeben werden, zählen neben den aktuellen Weltmeisterinnen aus Neuseeland auch Australien, Kanada und Grossbritannien zu den Medaillenanwärtern.
Golf-Comeback mit zwei Schweizerinnen
Es kommt nicht unerwartet, dass das Schweizer Golf an den Sommerspielen in Rio nur von Frauen, aber nicht von Männern vertreten wird. Fabienne In-Albon und Albane Valenzuela messen sich in einem Turnier, das Raum für Überraschungen bietet.
In-Albon und Valenzuela, die sich im Sechzigerfeld auf den Positionen 55 respektive 52 für das erste olympische Golfturnier seit 112 Jahren qualifizieren konnten, sind in gewisser Weise Gegensätze. Die Zugerin Fabienne In-Albon ist seit 2012 Profi und mit 29 Jahren für den Golfsport nicht mehr absolut jung, jedoch immer noch in einem Alter, das eine weitere Entwicklung zulässt. Die Genferin Albane Valenzuela dagegen ist mit ihren 18 Jahren ein Rohdiamant, eine Amateurin, der eine schöne Zukunft vorhergesagt wird. Allein in dieser Saison klassierte sie sich an Profi-Turnieren der Europa-Tour zweimal in den Top 10, nämlich als Vierte im tschechischen Pilsen und als Fünfte in Dar-es-Salam in Marokko. Vor kurzem qualifizierte sie sich für das wichtigste Frauenturnier, das US Open. Dort erreichte sie mitten unter den weltbesten Profis die Finalrunden.
Dass Valenzuela, das Ausnahmetalent, für die Schweiz spielt, ist nicht selbstverständlich, vielmehr sogar bemerkenswert. Denn sie ist die Tochter einer Französin und eines Mexikaners. Sie hat den Schweizer Pass, ihre Eltern nicht. Es wäre naheliegend, dass sie von Genf aus für die immer mächtiger werdende Golfnation Frankreich starten würde. Sie aber sagt: «Hier in der Schweiz haben mir verschiedene Leute und Institutionen geholfen, den Sport zu erlernen und weiterzukommen.» Sie sei dankbar und wolle versuchen, der Schweiz etwas zurückzugeben.
Fabienne In-Albon brachte es an die Sommerspiele, obwohl man dies auch anderen Schweizerinnen zugetraut hätte, etwa Anaïs Maggetti, Caroline Rominger und Melanie Mätzler. In der von 2014 bis Juli 2016 laufenden Qualifikation machte sie schon früh Nägel mit Köpfen. Auf der europäischen Frauentour belegte sie im australischen Oatlands und in Delhi den ausgezeichneten 2. Platz. In-Albon, die Anfang Jahr einen Hexenschuss erlitten hatte und an Borreliose erkrankt war, holte derart viele Qualifikationspunkte, dass sie sich eine Baisse in der laufenden Saison erlauben konnte.
Alles ist möglich
Die Unberechenbarkeit ist eine der hervorragenden Eigenschaften des Golfsports. Siege von Aussenseitern sind selbst an den grössten Turniere beinahe an der Tagesordnung. Wer mit einer persönlichen Bestzeit von 10,25 Sekunden in den olympischen 100-m-Wettbewerb steigt, wird niemals den Final erreichen, geschweige denn eine Medaille gewinnen. Die Faktoren Glück und Zufall sind hier völlig ausser Kraft gesetzt. Kein Sprinter kann auf einmal vier Zehntel schneller laufen, es seit denn, er habe das Doping mit der Kelle zu sich genommen. Im Golf ist es ganz anders. Alle je 60 Spielerinnen und Spieler des Olympia-Turniers beherrschen ihren Sport, sie beherrschen die Schläge. Wichtig ist das ständige Reproduzieren der guten Schläge. Wenn beispielsweise Valenzuela ein Turnier spielt, an dem ihr mit Tagesform, Glück und starken Nerven alles gelingt, ist eine Schweizer Medaille nicht auszuschliessen.
Vor allem bei den Männern, bei denen kein Schweizer in die Nähe der besten 60 kam, verzichten viele Stars auf die Teilnahme am Olympiaturnier, angeblich wegen der Gefährdung durch das Zika-Virus. Die ersten vier der Profi-Weltrangliste sind nicht am Start. Für die Schweizerinnen kam ein Verzicht niemals in Frage. Fabienne In-Albon formulierte es deutlich: «Ich lasse mir meinen grossen Traum nicht von einer Mücke kaputtmachen.»