«Only Lovers Left Alive»

Nach Jarmuschs überladenem «The Limits of Control» ist «Only Lovers Left Alive» ein witziger Vollschuss für Jarmusch-Junkies. Der neue J.J. spielt im verlorenen Paradies: Adam und Eva sind Musik-Junkies. Nach Film-Noir-Verschnitt, Western-Parodie, einem East-Western-Hiphop-Movie und einem Loblied auf Jacques Rivette ist der Meister der Anspielungen in einem Genre gelandet, das der Pop-Meister der Selbstreferenz und […]

Nach Jarmuschs überladenem «The Limits of Control» ist «Only Lovers Left Alive» ein witziger Vollschuss für Jarmusch-Junkies.

Der neue J.J. spielt im verlorenen Paradies: Adam und Eva sind Musik-Junkies. Nach Film-Noir-Verschnitt, Western-Parodie, einem East-Western-Hiphop-Movie und einem Loblied auf Jacques Rivette ist der Meister der Anspielungen in einem Genre gelandet, das der Pop-Meister der Selbstreferenz und Intertextualität mit «Only Lovers Left Alive» betitelt. Ein Loblied auf die Liebe?

Das Märchen vom Päärchen, das keinem ein Häärchen … 

Wie sich Unsterbliche mit dem Sterben herumschlagen hat uns Sterbliche schon immer interessiert. Dass es für ewigjunge aber schwieriger wird, jung zu bleiben ist überraschend. Jarmusch verbindet beides. Die Kulisse der zahlungsunfähigen Autostadt Detroit ist dabei weit mehr als ein Kommentar zu Krisenzeiten: «Motown», eines der legendärsten Pop-Labels, blühte da einst. In seinem Echo vegetiert heute Adam in einem Hinterhof.

Adam ist Gitarren-Amateur. Seine Geliebte heisst Eva. Die Ersten werden die Letzen sein: Adam und Eva sind Überlebende der Kultur. Wie immer bei Jarmusch, zieht sie ein starker musikalischer Faden durch den Klangkörper des Films: Diesmal hängt der musikalische Himmel voller Gitarren. Adam kauft sie, sucht sie, spielt sie – auch die Gibson von 1904.  

Eine Liebe zwischen Tanger  und Detroit

Filme, die gerne zeigen, wie gebildet sie sind, entzücken sonst eigentlich Kritiker. «Only Lovers Left Alive» liess die Gilde in Cannes aber eher kalt. Cool, fand ihn, wer sich gerne gebildet zeigt. Dabei ist der neue Film für jene, die die assoziative Landschaftskarte von Jarmusch nicht im Kopf haben, eher eine verrätselte Langweilerei. Aber Rätsel bieten auch Herausforderungen. Sie wollen gelöst werden.

Adam und Eva. Klar. Paradise Lost? Kommt auch vor. Marlowe? (Ihm wird die Autorschaft von Williams Stücken nachgesagt). Ist das Bildung? Ok. Tesla? (Wow! Ist das nicht einer zwischen Ohm, Volt und Watt?) Der kam schon mehrfach in JJ’s Filmen vor, wo es um musikalische Resonanzen ging. So unterhielten sich in «Coffee and Cigarettes» Jack und Meg White über ihn. «He perceived the earth as a conductor of accustical resonance.» Hier ist er für das Notstromaggregat zuständig. Physikalisch Interessierte werden an die Magnetischen Flussdichte verwiesen.

Wer im Kino sitzt und pausenlos googlen möchte, sollte lieber lächeln. Jarmusch ist kein Genre-Imitator wie Tarantino. Er spielt viel mehr mit sich selbst, seinem eigenen Werk, in das auch immer mehr jene der anderen fliessen: Witzig ist das nicht nur, wenn der Neon-Mond über Tanger hängt, oder der Jaguar durch Detroit prescht. Die Schallwellen seiner anderen Filme ertönen auch hier wieder: Wer gerne vor dem Schlafengehen Kaffee trinkt, um schneller zu träumen, der mag es auch, wenn seine Motive wie die Samples des Hip-Hop wiederkehren.

Das Kaffee-Eis am Stiel von Roberto Begnini wird diesmal als Blut-am Stiel-Eis wieder aufgenommen. Die Namenskombinationen von Jack und Zack, Lee und Marvin werden zu Adam und Eva. Die Air Lumière fliegt wieder durch eine reine Kinowelt. Die in «The Limits of Control» erwähnten Resonanzkörper, sind jetzt Gitarren, mit denen der Himmel vollhängt.

Allzeit breit

«Wenn ich früher Drehbücher geschrieben habe, habe ich immer alle Ideen ausgemerzt, die mich an andere Filme oder literarische Vorlagen erinnerten. Diesmal habe ich das Gegenteil getan.»  Dass Jarmusch dabei vor allem an seine eigenen Filme denkt, mag naheliegen. Dem Jarmusch-Einsteiger mag das an Rätseln zuviel sein. «The Universe  has no center and no edges!»

Es ist aber auch anstrengend, ewigjung geblieben zu sein. Jarmusch verbindet die heruntergekommene Autostadt Detroit mit der ehemals weissen Hafenstadt Tanger zu einem ironischen Abgesang auf die Liebe zur  – Bildung. Das Vampir-Junkie-Paar saugt dabei nicht nur Blut, sondern hat auch das Wissen von Jahrhunderten im Blut: Wer so alt geworden ist, dass er mit Byron gesoffen und Shakespeare getafelt hat und noch weiss, wie eine Gibson klingt, der tut gut daran, seine Bildung geheim zu halten. Der darf sich mit Recht über zeitgenössische Musik-Acts langweilen.

Eher Schmal- als Breitleinwand

So breit darf allerdings die Leinwand dann doch nicht sein, wie die beiden Vampire es meist sind. Adam ist eher der Slacker-Rock’n’Roller, der Garagenpunk und Sixties-Soul mag. Die schamlose Eva zeigt eine literarische Ader. Das wird begleitet von einer verspielten Bilder-Ironie, etwa wenn sie in Adams eigenhändig tiefergelegtem Jaguar XJS durch die untote Automobilstadt Detroit cruisen, oder die Menschen, besonders jene in LA als «Zombies» bezeichnen.

Wie immer bei Jarmusch, hat alles einen Widerhall. Der Pistolenschuss aus «Mistery Train» taucht wieder – erneut auch als Selbstmord-Motiv – auf. Nur ungleich leiser: Adam lässt sich eine aus speziellem Holz gefertigte Kugel beschaffen. Ein weiteres Spiel mit dem Genre. Normalerweise fürchten Vampire dieses Holz wie der Teufel das Weihwasser. Für Adam ist es ein Ausweg.

Cool heisst ja eigentlich kühl

Nach Jarmuschs überladenem «The Limits of Control» ist «Only Lovers Left Alive» immerhin ein witziger Vollschuss für Jarmusch-Junkies. So richtig warm werden will ich allerdings in seinem Film nicht: Heissblütig präsentiert Jarmusch in seinem Film nur die Musik. «Ich habe die Musik für einen Film eigentlich immer im Kopf, bevor ich ein Drehbuch schreibe. Nicht genau die Musik, die es im Film sein wird. Sie wird erst geschrieben, wenn ich den Rohschnitt habe.» Nach John Lurie, Tom Waits oder Screaminig Jay Hawkins ist es diesmal die Psychedelic-Rockband White Hills und die libanesische Sängerin «Yasmine Hamdan». Sie stechen auch deshalb hervor, weil alles andere ein wenig abfällt.

So endet das Märchen der beiden Wohlstands-Junkies etwas unvermittelt damit, dass die beiden Stoff brauchen. Auch das überrascht niemanden. Auch da fehlt dem Film der letzte Biss …

Das Buch von Sofia Glasl ist im Schueren-Verlag im Herbst erschienen. Der Film läuft zur Zeit in den Kult-Kinos.

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