Bei der Bekämpfung des Menschenhandels ist die Identifizierung der Opfer schwierig, weil sie Konsequenzen fürchten. Gesicherte Statistiken gibt es in der Schweiz nur zur Anzahl der Hilfeleistungen für Betroffene. Die Dunkelziffer ist dementsprechend hoch.
Der Bundesrat hat die Bekämpfung von Menschenhandel zu einer der kriminalstrategischen Prioritäten der Legislaturperiode 2016-2019 erklärt. Am Donnerstagabend spricht Justizministerin Sommaruga zu diesem Thema an einer Interpol-Konferenz in Lugano, die zum ersten Mal auf Schweizer Boden stattfindet.
Für Ermittlungen im Bereich Menschenhandel sind die Kantone zuständig. Unterstützung bekommen sie vom Bundesamt für Polizei (fedpol) im Bereich der Zusammenarbeit untereinander sowie bei internationalen Ermittlungen. Das fedpol verfügt gestützt auf das Bundesamt für Statistik auch über Zahlen zu Hilfeleistungen an Opfer des Menschenhandels – Angaben zu Verurteilungen macht es dagegen nicht.
Gemäss dem fedpol gab es im Rahmen des Opferhilfegesetzes zwischen 2010 und 2015 812 Hilfeleistungen im Bereich Menschenhandel.
Die Zentren der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) verfügen ebenfalls über ein Register, was die Hilfeleistungen an Frauen und Migranten betrifft, die Opfer von Menschenhandel wurden. Die Fachstelle geht für den Zeitraum 2010 bis 2015 von 905 Beratungen aus – das fedpol weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass ein und dieselbe Person sowohl in der Statistik zum Opferhilfegesetz als auch in der der FIZ auftauchen kann.
Die Hälfte bis zwei Drittel aller registrierten Verfahren im Bereich Menschenhandel und Förderung der Prostitution betreffen laut fedpol Menschen aus Osteuropa – allen voran Rumänien, Bulgarien und Ungarn.
Europarat mit Fingerzeig
Im vergangenen Jahr sprach eine Expertengruppe des Europarats für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) der Schweiz gegenüber Empfehlungen aus: So sollen unter anderem die Ausbildung der Arbeitsinspekteure verbessert werden, um Formen der Ausbeutung gezielter bekämpfen zu können. Zudem soll der Schutz von minderjährigen Opfern des Menschenhandels verstärkt werden.
GRETA wurde 2009 geschaffen und besteht aus maximal 15 unabhängigen Experten – die Schweiz hat als Europaratsmitglied das 2008 in Kraft getretene Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels ratifiziert.
Tessin im Brennpunkt
Beim Thema Menschenhandel steht in der Schweiz das Tessin im Fokus, weil dort nicht erst seit dem Balkankonflikt Schlepper und Menschenschmuggler auf der Nord-Süd-Achse operieren.
Im Südkanton schuf die Kantonspolizei im Jahr 2005 eine Spezialsektion namens TESEU, um gegen den Menschenhandel vorzugehen. Der Schwerpunkt wurde dabei auf den Bereich der Prostitution gelegt.
Seit 2015 besteht im Tessin ebenfalls eine Sonderheit gegen den Menschenschmuggel entlang der Flüchtlingsroute von Süditalien nach Nordeuropa. Dies geschah als Reaktion auf den tragischen Tod von 71 Flüchtlingen in einem Lastwagen im September 2015 an der österreichisch-ungarischen Grenze. In der GIRP genannten Sondereinheit arbeiten Tessiner Behörden zusammen mit Ermittlern aus Italien und Deutschland.