Im baltischen EU- und NATO-Land Litauen deutet sich ein Machtwechsel an. Bei der ersten Runde der Parlamentswahlen hat sich nach vorläufigen Ergebnissen das Oppositionslager gegen die seit 2012 regierenden Sozialdemokraten durchgesetzt.
Wegen der Unzufriedenheit der Bürger mit der Sozialpolitik und Korruptionsskandalen vor der Wahl musste die Koalition von Regierungschef Algirdas Butkevicius am Sonntag deutliche Stimmenverluste hinnehmen.
Nach Auszählung fast aller Wahlbezirke lieferten sich der Bund der Bauern und Grünen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der konservativen Vaterlandsunion. Beide kamen auf rund 21,6 Prozent, wie die Wahlkommission am Montag mitteilte. Die in Meinungsumfragen vor der Wahl favorisierten Sozialdemokraten werden nur drittstärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,55 Prozent.
Mehrere Koalitionen möglich
«Ich bin sehr glücklich über die Entscheidung der Menschen», sagte Ramunas Karbauskis, Chef des Bund der Bauern und Grünen. Die Partei aus der politischen Mitte zeigte sich offen für Gespräche über ein Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Bündnis. Auch eine Regenbogenkoalition der drei vorne liegenden Kräfte schloss er zunächst nicht aus.
Vaterlandsunion-Chef Gabrielius Landsbergis ging davon aus, dass seine Partei Teil der neuen Regierungskoalition sein wird. Noch in der Wahlnacht führte er der Agentur BNS zufolge erste Gespräche mit der oppositionellen Liberalen Bewegung (9 Prozent), eine Koalition mit den Sozialdemokraten hielt der Konservative für «kaum möglich.»
Die Partei von Butkevicius kam auf 14,5 Prozent der Stimmen. Von seinen beiden Bündnispartnern schaffte nur die populistische Partei Für Ordnung und Gerechtigkeit (5,5 Prozent) den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Mit der Wahlaktion der Polen Litauens gelang noch einer weiteren Partei der Einzug in das Parlament in Vilnius.
Über mögliche Koalitionen dürfte indes erst nach dem zweiten Wahlgang Ende Oktober entschieden werden. Dann werden die Wähler in einer Stichwahl über 71 Direktmandate entschieden. Im ersten Wahlgang ging es nach dem Verhältniswahlrecht um 70 Mandate nach Parteilisten.
Mangelnde Perspektiven
Im Mittelpunkt des Wahlkampfs standen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der ehemaligen Sowjetrepublik. Immer mehr junge Menschen wandern aus dem Land aus, da sie angesichts notorisch niedriger Löhne und sozialer Ungleichheit keine Perspektive in ihrer Heimat mehr sehen. Alle Spitzenkandidaten traten mit dem Versprechen an, die Löhne zu erhöhen und mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Politische Beobachter sprachen von einer Protestwahl gegen die derzeit regierende Linkskoalition. Vor allem die jüngste Novellierung des Arbeitsrechts, die Entlassungen vereinfacht, habe Butkevicius und seiner Regierung Stimmen gekostet. «Offensichtlich stimmten die Menschen für Veränderungen und gegen die Koalition, die knietief in Skandalen steckt», sagte Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite zum Abstimmungsergebnis.
Litauens Wirtschaft hat sich nach der schweren Finanzkrise 2008 deutlich erholt, für dieses Jahr dürfte das Wachstum bei 2,5 Prozent liegen. Doch nach wie vor liegen die Durchschnittslöhne bei etwas über 600 Euro im Monat und gehören damit zu den niedrigsten im EU-Vergleich.