Opposition in Kiew zieht weiterhin für EU-Abkommen auf die Strasse

Die ukrainische Opposition will die Regierung mit anhaltenden Protesten zurück auf pro-europäischen Kurs zwingen. Nach Massenkundgebungen mit Zehntausenden Teilnehmern am Sonntag belagerten am Montag wieder Oppositionsanhänger das Regierungsgebäude. Und die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko trat in den Hungerstreik

Protestierende und Sicherheitskräfte stossen in Kiew zusammen (Bild: sda)

Die ukrainische Opposition will die Regierung mit anhaltenden Protesten zurück auf pro-europäischen Kurs zwingen. Nach Massenkundgebungen mit Zehntausenden Teilnehmern am Sonntag belagerten am Montag wieder Oppositionsanhänger das Regierungsgebäude. Und die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko trat in den Hungerstreik

Die knapp tausend Demonstranten versuchten am Montag, in das Regierungsgebäude in Kiew einzudringen, wurden aber von Sicherheitskräften abgewehrt, wie eine AFP-Reporterin beobachtete. Schon am Sonntag war es nach den grössten Anti-Regierungsprotesten seit der so genannten Orangenen Revolution vor neun Jahren zu Ausschreitungen gekommen.

Am Abend stieg die Zahl der Demonstranten im Zentrum der Hauptstadt auf etwa 2500 an. Ihnen schloss sich auch der Chef der Oppositionspartei Udar (Schlag), Profiboxer Witali Klitschko, an. In Lwiw (Lemberg), im Westen des Landes, demonstrierten etwa 15’000, in der Nachbarstadt Iwano-Frankiwsk 12’000 Menschen.

Vor den Demonstranten in Kiew las Timoschenkos Anwalt am Abend einen Brief vor, in dem die inhaftierte Politikerin mitteilte, in einen unbefristeten Hungerstreik getreten zu sein. Sie fordere Präsident Viktor Janukowitsch auf, das Abkommen mit der EU zu unterschreiben.

Rückendeckung aus Brüssel

Rückendeckung erhielten die Demonstranten am Montag auch aus Brüssel: Das Angebot an die Ukraine, das Partnerschafts- und Handelsabkommen zu unterzeichnen, «ist noch auf dem Tisch», betonten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Zugleich kritisierten sie die Haltung der Regierung in Moskau. Diese habe in inakzeptabler Weise Druck auf die Ukraine ausgeübt.

Die EU-Spitzen bemühten sich aber auch, die Sorgen der Regierung in Kiew zu entkräften. «Angesichts des äusseren Drucks auf die Ukraine glauben wir, dass kurzfristige Erwägungen die langfristigen Vorteile nicht überlagern sollten, die diese Partnerschaft bringen würde.» Das Abkommen mit der EU sei «die bestmögliche Unterstützung für die wirtschaftliche Situation der Ukraine, den Reformkurs und die Modernisierung».

Wende in Kiew

Die Ukraine hatte am Donnerstag ein jahrelang ausgehandeltes als historisch geltendes Assoziierungsabkommen für eine engere Zusammenarbeit und freien Handel mit der EU überraschend auf Eis gelegt. Der Vertrag sollte an diesem Freitag in der litauischen Hauptstadt Vilnius unterschrieben werden.

Nach Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass die Ukraine dann ihre bisherigen Handelsvorteile auf dem russischen Markt verliere, stoppte die Führung in Kiew die Annäherung an die EU vorläufig – für weitere Verhandlungen.

Druck für Freilassung Timoschenkos

Nicht nur der Druck aus Moskau hatte im ukrainischen Regierungslager zum Widerstand gegen das Abkommen geführt: Auch die Forderung der EU, vor der Unterzeichnung müsse die Oppositionspolitikerin Timoschenko freigelassen werden, war im Parlament abgeschmettert worden.

Die frühere Ministerpräsidentin wurde 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sie leidet an einem Bandscheibenvorfall und wartet darauf, in der Berliner Klinik Charité behandelt zu werden. Die EU sieht die Verurteilung Timoschenkos als politisch motiviert an und machte deren Freilassung daher zur Bedingung für das Abkommen.

Forderungen an den Westen

Wie die Kiewer Tageszeitung «Siwodnja» berichtet, verlangt die Ukraine im Gegenzug für ihre Unterschrift unter das Abkommen, dass die EU nicht mehr auf Freiheit für Timoschenko besteht. Ausserdem dringe Kiew auf einen Kredit über zehn Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds IWF, der zudem auf die Forderung nach 40 Prozent höheren Gaspreisen für die Bevölkerung verzichten müsse.

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