Nach den Massenprotesten der vergangenen Tage ist die Opposition in der Ukraine am Dienstag mit einem Misstrauensantrag gegen Regierungschef Nikolai Asarow gescheitert. Damit bleibt der Vertraute von Präsident Viktor Janukowitsch ungeachtet der Demonstrationen im Amt.
Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko sprach von einer Enttäuschung. Die Proteste würden aber weitergehen. Ziel seien vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen.
Vor dem Parlament forderten mehrere Tausend Demonstranten friedlich den Rücktritt der Regierung. Sicherheitskräfte einer Sondereinheit riegelten das Gebäude ab. Im Regierungsviertel blockierten Hunderte Demonstranten den Zugang zu den Ministerien.
Auf dem Unabhängigkeitsplatz forderten Sprecher die Menge auf, in ihren Protesten nicht nachzulassen. Trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt hatten in Kiew wieder Tausende Oppositionsanhänger die Nacht in Zelten und auf der Strasse verbracht – oder in besetzten Verwaltungsgebäuden.
Regierung plant neue Verhandlungen mit der EU
Die inhaftierte Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko rief die EU zur Unterstützung der Regierungsgegner auf. Der Westen dürfe die «autoritäre Politik» von Staatschef Janukowitsch nicht dulden, zitierte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko aus einer Botschaft. Ihrer Mutter gehe es trotz eines achttägigen Hungerstreiks gut.
Julia Timoschenko protestiert dagegen, dass die Führung um Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hat. Dafür macht die Opposition auch Asarow verantwortlich.
Der Regierungschef entschuldigte sich im Parlament vor der Abstimmung für einen brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten in Kiew am Wochenende. Er habe mit der EU-Kommission vereinbart, die Gewaltaktion aufzuklären sowie die Verhandlungen über den Assoziierungsvertrag fortzusetzen. «Bereits nächste Woche wird eine Regierungsdelegation nach Brüssel fahren», sagte Asarow.
Antrag der Opposition im Parlament ohne Chance
Klitschko forderte dagegen einen Regierungswechsel. «Es hängt nun von jedem einzelnen Abgeordneten ab, ob wir in einer Demokratie leben werden oder in einem Polizeistaat», sagte der Chef der Partei Udar (Schlag) vor der Abstimmung. Der Antrag der Opposition erhielt in der Obersten Rada aber nur 186 von nötigen 226 Stimmen.
Staatschef Janukowitsch brach trotz der angespannten Lage in der Ukraine am Dienstag zu einer mehrtägigen Reise nach China auf. Der Besuch sei wichtig, da er lukrative Verträge für sein finanziell angeschlagenes Land unterzeichnen wolle, sagte der Präsident.
Die Regierung in Peking unterstützt die Ukraine bereits mit Krediten in Höhe von zehn Milliarden Dollar. «Janukowitsch versucht der EU und Russland zu zeigen, dass sie nicht die einzigen möglichen Partner der Ukraine sind», sagte Wolodimir Fesenko von der Denkfabrik Penta. Angesichts der politischen Lage sei es jedoch unwahrscheinlich, dass China direkte Finanzhilfe leisten werde.
Das Land ist gespalten
Auf der Rückreise von Peking will Janukowitsch in Moskau Station machen, um mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die weitere Zusammenarbeit zu sprechen.
Janukowitsch hatte am 21. November die Unterschrift unter ein Abkommen mit der EU verweigert und sich verstärkt Russland zugewandt. Der Schritt legte die Spannungen zwischen dem russischsprachigen Osten und dem ukrainischsprachigem Westen des Landes bloss.
Sie traten auch am Dienstag im Parlament deutlich hervor. Ministerpräsident Asarow musste darum kämpfen, sich mit seiner auf Russisch gehaltenen Ansprache Gehör zu verschaffen, weil die Opposition ihn in Sprechchören aufforderte, Ukrainisch zu sprechen.
Finanzmärkte strafen Ukraine ab
Unterdessen machen sich die Massenproteste gegen die Regierung in Kiew auch an den Finanzmärkten bemerkbar. Die Risikoaufschläge für ukrainische Staatsanleihen legten weiter zu, ebenso stiegen die Prämien für entsprechende Kreditausfallversicherungen (CDS).