Der Besuch von Viktor Orbán bei Altkanzler Helmut Kohl hatte Kontroversen ausgelöst. Der ungarische Ministerpräsident ist wegen seiner Flüchtlingspolitik umstritten. Nach dem Treffen bemühen sich alle um versöhnliche Signale.
Nach dem Besuch bei Altkanzler Helmut Kohl stellte Orbán die gemeinsamen Bemühungen mit Deutschland um Lösungen in der Flüchtlingsfrage heraus. Kohl und er sähen in ihrer Haltung keinen Gegensatz zur Politik von Kanzlerin Angela Merkel, heisst es in einer Erklärung, die Kohls Büro am Dienstag nach dem Besuch von Orbán in Ludwigshafen-Oggersheim verbreitete.
In der Zielsetzung sei man sich völlig einig: Es gehe darum, «unter humanitären Aspekten in einer existenziellen Frage für Millionen von Menschen den besten Weg zu finden».
Zuflucht nur für «kleineren Teil» der Flüchtlinge
Orban gilt als einer der schärfsten Kritiker von Merkel in Sachen Flüchtlingen. Der 52-jährige Politiker setzt auf Abschottung und ist gegen eine Verteilung der Flüchtlinge in Europa, er steht deshalb selbst in der Kritik. Der «Bild»-Zeitung sagte Orbán nach dem rund 80-minütigen, privaten Treffen mit dem 86-jährigen Kohl, Ungarn mit ihm als Ministerpräsidenten sehe sich Seite an Seite mit Berlin.
Kohl und Orbán betonten in der Erklärung, dass Europa nur für den kleineren Teil der geflohenen Menschen übergangsweise eine Zuflucht bieten oder gar eine neue Heimat werden könne. Es müssten auch Lösungen ausserhalb von Europa und in den notleidenden Regionen gesucht werden, damit den Menschen dort geholfen und ihnen eine Zukunftsperspektive gegeben werden könne, «die am besten in der eigenen Heimat liegt».
Sie hoben hervor, «dass es weder in der Sache noch für die Menschen hilfreich sei, in dieser wichtigen Frage des Umgangs mit der Flüchtlingswelle und den Schicksalen von Millionen von Menschen vor allem politische Gegensätze zu konstruieren».
Orbán überreichte Kohl nach Angaben von dessen Büro ein Exemplar seines Buches «Aus Sorge um Europa». Es erscheine mit einem aktuellen Vorwort Kohls und einer Einführung Orbáns in diesen Tagen in Ungarn.
Auf Privatversuch
Kanzlerin Merkel, wie einst Kohl Bundesvorsitzende der CDU, bezeichnete das umstrittene Treffen der beiden als sinnvoll und nützlich. Viele dort diskutierte Akzente entsprächen – so weit ihr bekannt – genau dem, was sie auch «für absolut unerlässlich und wichtig» halte, sagte sie in Berlin. Sie nannte als Beispiele die Bekämpfung von Fluchtursachen und gemeinsames europäisches Handeln.
Gegen den Besuch von Orbán demonstrierten in der Nähe von Kohls Wohnhaus etwa 30 Menschen. Sie empfingen den ungarischen Ministerpräsidenten mit Pfiffen, Tröten und Parolen wie «Orbán vertreiben, Flüchtlinge bleiben».
Orbáns Visite bei Kohl galt als Privatbesuch. Die Polizei hatte die Strasse, in der Kohls Wohnhaus liegt, abgeriegelt und dafür gesorgt, dass Demonstranten nicht näher als 30 Meter an Kohls Wohnhaus heran kamen. Nach Angaben eines Polizeisprechers verliefen die Kundgebungen friedlich.