Eigentlich gehen die Amerikaner davon aus, dass sie die weltbesten Filme machen. Ausgerechnet die Gewinner der diesjährigen Oscar-Verleihungen krönen europäische Tradition und Macher. Fast geht das im amerikanischen Feierrummel unter. Amtlich ist: „Hugo“ und „The Artist“ stehen ganz oben im Ranking.
The Artist
Eigentlich gehen die Amerikaner davon aus, dass sie die weltbesten Filme machen. Ausgerechnet die Gewinner der diesjährigen Oscar-Verleihungen krönen europäische Tradition und Macher. Fast geht das im amerikanischen Feierrummel unter. Amtlich ist: „Hugo“ und „The Artist“ stehen ganz oben im Ranking.
„The Artist“ hat den leisen Kitsch von Spielbergs „War Horse“ ebenso übertrumpft wie das Lehrmeisterhafte von Scorseses „Hugo“. Beide haben fünf Oscars erhalten. „The Artist“ die wichtigen. „Hugo“ die eher unwichtigen. Spielberg ging leer aus. Di Caprios J.Edgar (den Billy Cristal the Iron Lady nannte) war nicht einmal nominiert. Wenn es sonst nichts zu feiern gibt, feiert das amerikanische Kino sich selbst. Sich selbst? Die US-Produzenten wollten „The Artist“ nicht produzieren – feiern aber schon. Die mutige Produktion aus Frankreich beschäftigt sich ja auch mit US-Filmgeschichte. US? Lubitsch, Lang, Stroheim, Murnau??? Das waren die Vorbilder von „The Artist“.
„Hugo Cabret“ war Franzose (Die Vorlage, der historische Hersteller der mechanischen Puppe, allerdings – ein Schweizer Uhrmacher, der nach Frankreich ausgewandert war). Die beste Regie, Michel Hazanavicius, („The Artist“) ist Sohn litauischer Einwanderer. Die Computer-Tricks aus „Hugo“ stammen nur fast aus Frankreich, nämlich Frankfurt. Ludovic Bource, der französische Musiker von „The Artist“ hat einen Oscar erhalten für Musik, die stark dem grossen Musiker des amerikanischen Kinos geschuldet ist: Max Steiner, der Österreicher. Der beste Darsteller, der Franzose Dujardin war immerhin als Typ zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Gary Oldman (Soldier,Spy) wäre gewiss der bessere Schauspieler gewesen – war aber im falschen Film. Amerika will grad nicht so gern über fiese Geheimdienst-Kampagnen nachdenken. Man ist selber sehr damit beschäftigt den Geheimdienst gegen allerlei Länder in Stellung zu bringen: U.a. gegen den Iran, aus dem «Nader und Simin – eine Trennung» von Asghar Farhadi kommt. Man hört vom iranischen Präsident allerdings nichts von der Film-Weltmacht Iran. Der Oscar gehört dort zum Feindbild.
Die Oscars führen es wieder vor Augen: Hollywood ist der Schmelztiegel. Aber die Industrie lebt auch in Europa. Erinnern wir uns kurz an Frankreich vor ein paar Jahren:
Da wollte die Regierung die Arbeitslosenkasse für Filmschaffende abschaffen (mit Billigung des damaligen Innenministers Sarkozy): Filmschaffende arbeiten nämlich meist sechs bis acht Wochen rund um die Uhr, und dann wieder mal drei Monate nichts. Verflixt. Für Arbeitlosenkassen nicht einfach zu lösen. Lösen wollte man es in Fraunkreich (mit Sarkozy) einfach so: Filmschaffende dürfen nicht mehr gegen Arbeitslosigkeit versichert werden. Bei der César-Verleihung stand die ganze französische Crème de la Crème des Filmes auf. Drei Wochen wurde gestreikt. Filmindustrie braucht eine kreative Landschaft. Und eine kreative Gesellschaft. Und eine kreative Bürokratie. Das Ansinnen wurde zurückgeneommen und hasl der Insustrie, zu überleben, mehr noch, zu einer kleinem Frühling aufzulaufen. Der findet zur Zeit in Frankreich statt. Mit einer grandiosen gesellschaftlichen Debattier-Kultur, die sich gerade um den arabischen Raum erweitert. Der gestrige Versuch Sarkozys, die französische Weltmacht Film auszurufen, wirkt dagegen eher wie ein verzweifeltes Rückwärtsbuchstabieren.
Und, was noch wurde geehrt? Rango ist wirklich der schrägste Trick-Western, der bei uns – leider – nur zu kurz lief. Tree of Life ist schlecht weggekommen.
Höhepunkt: Meryl Streep! Die Uneinholbare. Sie hat bald keinen Platz mehr überm Kamin für Oscars, ist aber gerührt und hat selbst in ihrer Dankesrede noch die Klasse, anzudeuten, dass die Academy langsam zu einem überalterten Club wird: „Schon wieder die!“, zitiert sie ihre Zuschauerinnen. Aber so authentisch, wie sie sich aus der Affäre gezogen hat, ist das schon wieder einen Oscar Wert.