Pädophilen-Initiative bietet laut Gegnern trügerischen Schutz

Auch die Gegner der Pädophilen-Initiative wollen Kinder vor sexuellen Übergriffen schützen. Ihrer Ansicht nach ist die Initiative aber überflüssig, unvollständig und unverhältnismässig.

Nationalräte Vischer (Grüne/ZH) und Schmid-Federer (CVP/ZH) (Bild: sda)

Auch die Gegner der Pädophilen-Initiative wollen Kinder vor sexuellen Übergriffen schützen. Ihrer Ansicht nach ist die Initiative aber überflüssig, unvollständig und unverhältnismässig.

Überflüssig darum, weil das Parlament das Anliegen bereits umgesetzt hat, und zwar wesentlich besser. Die Initiative verlangt ein lebenslanges Berufs- und Tätigkeitsverbot mit Kindern und Abhängigen für vorbestrafte Pädosexuelle.

Täter, die Kinder körperlich verletzten, wollten die Initianten weiterhin mit Kindern arbeiten lassen, kritisierte die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer am Donnerstag vor den Bundeshausmedien. „Wenn wir schon Gesetze ändern, dann richtig.“

Dies hat das Parlament gemacht – unabhängig von der Initiative von Marche Blanche, über die am 18. Mai abgestimmt wird: Anfang 2015 tritt eine Änderung des Strafgesetzbuchs in Kraft, die ein Berufs- und Tätigkeitsverbot vorsieht bei allen Straftaten gegen Minderjährige und schutzbedürftige Personen. Dieses kann lebenslänglich ausgesprochen werden.

Übergriffe in der Familie

Auch Kontakt- und Rayonverbote können ausgesprochen werden, um Kinder vor Wiederholungstätern zu schützen. Im Unterschied zur Initiative erfasse die Gesetzesänderung damit auch den privaten Bereich, sagte Schmid-Federer als Mitglied eines überparteilichen Komitees gegen die Initiative.

Und dort, insbesondere in der Familie, passierten die meisten sexuellen Übergriffe. „Die Initiative hat dafür nicht den Ansatz einer Lösung.“

Gewahrt bleibt auch der verfassungsmässige Grundsatz der Verhältnismässigkeit: Der Richter kann bei der Verhängung des Berufsverbot die Schwere der Tat berücksichtigen. Anders die Initiative, die in jedem Fall ein lebenslanges Verbot fordert.

Diese lasse sich gar nicht umsetzen, sagte Nationalrat Daniel Vischer (Grüne/ZH). Die Verhältnismässigkeit sei ein übergeordneter Verfassungsgrundsatz, der nicht punktuell aufgeweicht werden könne. „Das wissen auch die Initianten.“

Im Gegner-Komitee, das inzwischen 106 Parlamentarierinnen und Parlamentarier umfasst, sind neben CVP und Grünen auch SP, FDP, GLP, EVP und CSP vertreten. Die grossen Mitte-Parteien jedoch sind gespalten. Die Mehrheit der FDP-Fraktion beispielsweise hatte im Nationalrat für die Initiative gestimmt, die Basis beschloss jedoch die Nein-Parole.

Fachverbände sagen Nein

Vorbehaltlos auf die Seite der Gegner geschlagen haben sich die Stiftung Jugendschutz Schweiz und die Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV). Die Initiative sei „trügerisch und irreführend“, sagte SAJV-Vertreterin Annina Grob vor den Bundeshausmedien.

Sie verletze nicht nur die Verfassung, sondern führe auch zu Umsetzungsproblemen, da sie auch Fälle von Jugendliebe erfasse. Zudem biete das automatische Berufs- und Tätigkeitsverbot nur einen scheinbar vollständigen Schutz, da bloss Wiederholungstäter erfasst würden und zudem nur 5 Prozent der Taten mit einem Schuldspruch endeten.

Einsatz für den Rechtsstaat

Die Parlamentskammern hatten sich nicht auf eine Abstimmungsempfehlung einigen können: Der Ständerat lehnte die Initiative ab, der Nationalrat stimmte ihr zu. Der Bundesrat bekämpft das Volksbegehren, insbesondere weil diese die Verhältnismässigkeit nicht wahrt.

Die Befürworter bestreiten dies, da sie Pädophile für unheilbar und ein beschränktes Berufsverbot darum in jedem Fall für verhältnismässig halten. Gemäss Umfragen befürwortet eine grosse Mehrheit der Bevölkerung die Initiative.

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