Bei einem Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa hat Papst Franziskus am Montag der auf der Überfahrt gestorbenen Migranten gedacht. Während einer Messe geisselte er die «Gleichgültigkeit» der Welt angesichts des Todes hunderter Flüchtlinge im Mittelmeer.
Franziskus bat um «Verzeihung» für die Todesopfer. In seiner Predigt von einem aus Rudern gefertigten Pult im kleinen Stadion von Italiens südlichster Insel sagte er zu den 10’000 Anwesenden: «Die Wohlstandskultur macht uns unempfindlich für die Schreie der anderen und führt zur Globalisierung der Gleichgültigkeit.» Das Gefühl der «brüderlichen Verantwortlichkeit» sei verloren gegangen.
Franziskus dankte zugleich den 6000 Einwohnern von Lampedusa, den Hilfsorganisationen und den Polizeikräften für ihre «Zuwendung» an die Flüchtlinge: «Ihr seid eine kleine Gemeinschaft, aber ihr gebt ein Beispiel der Solidarität.»
Kranz ins Meer geworfen
Vor dem Gottesdienst hatte der Papst nach einem Gebet von Bord eines Boots der Küstenwache einen Kranz aus weissen und gelben Chrysanthemen – die Farben des Vatikans – ins Meer geworfen. Umgeben von Dutzenden Fischerbooten und Yachten machte der Papst das Kreuzzeichen über einer Stelle, wo viele Flüchtlinge ertranken.
Als Papamobil diente dem Papst auf der Insel ein alter Geländewagen. Nur kurz vor seiner Landung auf dem Flugplatz der Insel traf auf Lampedusa erneut ein Boot mit 166 Flüchtlingen ein.
Jedes Jahr rund 1500 Tote
Schätzungen zufolge kommen jedes Jahr rund 1500 Flüchtlinge im Mittelmeer ums Leben. Die italienische Küstenwache hatte Mitte Juni insgesamt mehr als 900 Bootsflüchtlinge in Sicherheit gebracht.
Nach Medienberichten starben jedoch sieben Flüchtlinge bei einem besonders dramatischen Einsatz: Die Boote der mehr als 250 Flüchtlinge waren in Seenot geraten. Dutzende Flüchtlinge klammerten sich daraufhin auf dem offenen Meer an einen grossen Thunfisch-Fangkäfig, den ein Fischkutter hinter sich her zog. Sieben Flüchtlinge starben laut Augenzeugenberichten, als die Mannschaft des Kutters das Seil kappte, mit dem der Fangkäfig am Schiff festgemacht war.
Hoffnung auf ein besseres Leben
Italien ist seit Beginn der Umbrüche in mehreren nordafrikanischen Ländern Ziel von zehntausenden Flüchtlingen geworden. Vor allem auf Lampedusa stranden jedes Jahr tausende Afrikaner, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa die gefährliche Überfahrt in meist überfüllten und wenig seetüchtigen Booten wagen. Dabei kommen immer wieder zahlreiche Flüchtlinge ums Leben.
Die Bürgermeisterin der Insel, Giusi Nicolini, hatte zuletzt Ende März von einem «Ausnahmezustand» berichtet. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres erreichten fast 4000 Flüchtlinge Lampedusa – drei Mal so viele wie im Vorjahr.
Dass Papst Franziskus seine erste Reise ausserhalb Roms auf die Flüchtlingsinsel mache, sei ein «starkes Signal» an die Regierungen, ihre Einwanderungspolitik zu überdenken, erklärte der für Flüchtlinge zuständige Kardinal Antonio Mario Veglio.