Papst Franziskus hat die Massaker an den Armeniern als «Völkermord» bezeichnet. Er machte die politisch brisante Äusserung am Sonntag bei einer Gedenkmesse im Petersdom, in deren Mittelpunkt der Heilige Gregor von Narek stand.
Im letzten Jahrhundert habe es «drei gewaltige und beispiellose Tragödien» gegeben. Die erste dieser Tragödien, die «weithin als ‚erster Völkermord des 20. Jahrhunderts‘ gilt», habe das armenische Volk getroffen, sagte der Papst.
Es sei seine Pflicht, die Erinnerung an die unschuldigen Männer, Frauen, Kinder, Priester und Bischöfe zu würdigen, die «sinnlos» ermordet worden seien, verteidigte er seine Äusserung.
«Das Böse zu verbergen oder abzustreiten ist genauso wie eine Wunde bluten zu lassen, ohne sie zu bandagieren», sagte er. Zuvor war mit Spannung erwartet worden, ob der Papst den Begriff Völkermord in den Mund nehmen würde.
Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, die einen Genozid nach wie vor abstreitet, soll nach Berichten türkischer Medien hinter den Kulissen versucht haben, Papst Franziskus vom Gebrauch des Begriffes abzuhalten.
Klare Worte
Als Kardinal Jorge Mario Bergoglio hatte der heutige Papst keine klaren Worte gescheut: In seinem Buch «Über Himmel und Erde» bezeichnete er die Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich bereits dreimal als «Völkermord». Auch vor knapp zwei Jahren benutzte er den Begriff bei einem Besuch armenischer Christen.
Im Vatikan wurde der Begriff bereits von Papst Johannes Paul II. benutzt. Sowohl vor als auch während seines Armenien-Besuchs 2001 bezeichnete er die Verfolgung als «Genozid». Er unterzeichnete sogar zusammen mit dem armenischen Kirchenführer ein Dokument, in dem es hiess, auf die Geschehnisse werde allgemein Bezug genommen «als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts».
Historiker schätzen, dass bis zu 1,5 Millionen Armenier durch die Osmanen zu Zeiten des Ersten Weltkriegs umgebracht wurden. Am 24. April 1915 begann die damalige Regierung des Osmanischen Reiches mit der Verhaftung der Armenier.
Der Papst sagte, für die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts seien der «Nazismus und Stalinismus» verantwortlich. In jüngerer Vergangenheit habe es aber noch weitere Massenmorde gegeben, etwa in Kambodscha, Ruanda, Burundi und Bosnien. Die Menschheit sei offenbar nicht dazu in der Lage, «dem Vergiessen von Blut Unschuldiger ein Ende zu setzen», sagte Franziskus.
Messe für armenischen Kirchenlehrer
An der Messe im Petersdom nahmen auch der armenische Patriarch Nerses Bedros XIX. Tarmuni und der armenische Präsident Sersch Sarkissjan teil. Ob der Papst den Begriff Völkermord benutzen würde, war mit besonderer Spannung erwartet worden.
Papst Franziskus, der enge Beziehungen zur armenischen Gemeinde hat, feierte in der Messe am Sonntag die Erhebung des vor rund einem Jahrtausend lebenden armenischen Mönchs und Mystikers von Narek zum Kirchenlehrer. Er trägt damit einen Titel, mit dem der prägende Einfluss auf die Theologie der Kirche gewürdigt wird und der bislang nur 35 weiteren Gelehrten zuteilwurde.
Das bekannteste Schriftstück des Heiligen, das «Buch der Gebete», wird auch «Buch der Klagen» genannt und gilt als Meisterwerk der klassischen armenischen Literatur.