Papst Franziskus hat erstmals Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche getroffen und sie um Vergebung «für diese Sünden und schweren Verbrechen» gebeten. Er feierte mit sechs Betroffenen aus Deutschland, Irland und Grossbritannien eine Morgenmesse.
Papst Franziskus verurteilte die «Mittäterschaft» der katholischen Kirche beim sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Die Verbrechen seien lange «verheimlicht und vertuscht worden, durch eine Mittäterschaft, die nicht zu erklären ist», sagte der Pontifex am Montag.
«In der Geistlichkeit ist kein Platz für jene, die Missbrauch begehen», sagte er und bekräftigte, Vergehen an Minderjährigen nicht tolerieren zu wollen. Die Universalkirche müsse Minderjährige schützen und auch über die Priester-Ausbildung solche Sünden aus der Kirche verbannen.
Der Papst dankte mehrmals den sechs Missbrauchsopfern, je zwei aus Deutschland, Irland und Grossbritannien, die vom Bostoner Erzbischof Kardinal Sean O’Malley zu dem Treffen eingeladen wurden. «Ihre Anwesenheit hier ist ein Wunder der Hoffnung, das die tiefe Dunkelheit durchbricht», erklärte Franziskus.
Persönliche Gespräche
Die Messe feierten der Papst und die Betroffenen in der kleinen Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Danach kam der Papst mit jedem Missbrauchsopfer zu einem persönlichen Gespräch zusammen, das jeweils etwa eine halbe Stunde dauerte, wie Vatikan-Sprecher Federico Lombardi berichtet.
Die Betroffenen wurden je von einem Angehörigen oder einer Vertrauensperson begleitet, die bei der Übersetzung der Predigt half. Am Ende des Treffens wurde die Gruppe zum Mittagessen mit dem Papst im Gästehaus Santa Marta eingeladen, in dem Franziskus wohnt.
Zur Gruppe gehört auch die Irin Marie Collins, Mitglied einer Kommission zum Schutz von Minderjährigen vor sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, die der Papst im März eingesetzt hatte.
Die aus Dublin stammende Collins war in den 1960er Jahren von einem katholischen Priester sexuell missbraucht worden und engagiert sich seit längerem für einen besseren Schutz von Kindern in Einrichtungen der katholischen Kirche.
Kritik von Betroffenen-Netzwerk
«Die Aktion von Papst Franziskus ist ein weiteres Stück Symbolismus», kritisierte das deutsche Netzwerk Betroffener von sexueller Gewalt. Der Papst schare lieber strenggläubige Missbrauchsopfer um sich und bete mit ihnen, anstatt die Betroffenen angemessen zu entschädigen, so der Vorsitzende des Netzwerkes, Norbert Denef.
Andere Opfervertreter hatten das Treffen des derzeit amtierenden Papstes mit Missbrauchsopfern seit langem gefordert. Franziskus hatte den Missbrauch an Kindern durch Geistliche mehrfach gebrandmarkt und «null Toleranz» für die Täter angekündigt.
Die katholische Kirche wird schon seit Jahren durch zahlreiche Missbrauchsfälle aus den vergangenen Jahrzehnten weltweit erschüttert. Hunderte Geistliche wurden ihrer Priesterämter enthoben.
Nach Angaben des Vatikans wurden den internen Ermittlern im vergangenen Jahrzehnt 3420 Verdachtsfälle gemeldet. Wie die katholische Zeitung «L’Avvenire», Sprachrohr der italienischen Bischofskonferenz CEI, am Montag berichtete, hat der Vatikan zwischen 2004 und 2013 848 Priester wegen Kindermissbrauchs zwangslaisiert. Weitere 2572 Priester wurden mit weniger drastischen Massnahmen bestraft.