Zum zweiten Mal in drei Monaten besucht Papst Franziskus die Region Kaukasus. Für die Georgier ist der Besuch des Pontifex ein wichtiges politisches Signal inmitten eines Territorialstreits. Proteste in Tiflis überschatten die Friedensbotschaft des Papstes.
Angesichts schwelender Konflikte im Südkaukasus hat Papst Franziskus zu einem friedlichen Zusammenleben in der Region aufgerufen. «Das erfordert, dass eine Gesinnung gegenseitiger Wertschätzung und Rücksichtnahme wächst», mahnte der Papst bei einem Besuch in der georgischen Hauptstadt Tiflis am Freitag laut einer deutschen Übersetzung des Vatikans.
Für die kleine Ex-Sowjetrepublik am Schwarzen Meer ist die Papst-Visite ein wichtiges Signal im Streit um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien. Georgien will seit Jahren die Kontrolle über die 1992 abgespaltenen Regionen zurückgewinnen. Russland hat sie nach einem Krieg 2008 als unabhängig anerkannt, sie gehören aber weiter völkerrechtlich zu Georgien.
Demo gegen «Antichrist»
Am Flughafen von Tiflis demonstrierten einige Dutzend orthodoxe Hardliner und Priester gegen den Papst und bezeichneten ihn als «Antichrist». Einen ähnlichen Protest vor wenigen Tagen hatte die georgische Kirche scharf verurteilt und zur Ruhe aufgerufen.
Franziskus bleibt zwei Tage in dem orthodox geprägten Land. Für diesen Samstag ist ein Gottesdienst in einem Stadion in Tiflis geplant, zu dem Zehntausende Menschen erwartet werden.
Die orthodoxe Kirche gilt als ultrakonservativ. Die Beziehungen zur katholischen Kirche sind kompliziert. Patriarch Ilia II. hatte vorab mitgeteilt, dass kein ökumenischer Gottesdienst geplant sei. Die orthodoxe Kirche pflegt enge Beziehungen zum Moskauer Patriarchat.
Die mit Spannung erwartete Parlamentswahl in Georgien am 8. Oktober überstrahlt die Papst-Visite. Die örtlichen Medien berichteten im Vorfeld kaum über den Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts. Viele gaben wenige Tage zuvor an, nichts von dem Besuch zu wissen oder keine Erwartungen zu haben. Rund 84 Prozent der Georgier bekennen sich zur orthodoxen Kirche.
Franziskus rief die Völker im Südkaukasus beim Treffen mit Präsident Giorgi Margwelaschwili auf, gegenseitig ihre souveränen Rechte zu achten. Margwelaschwili sagte, Georgien wolle sich bei der Lösung des Streits um Abchasien und Südossetien ein Beispiel an der deutschen Wiedervereinigung nehmen.
Keine Konfrontation gesucht
«Wir sind nur 40 Kilometer von den Stacheldrahtzäunen entfernt», sagte er laut einer englischen Übersetzung seiner Rede. «Dennoch suchen wir nicht die Konfrontation.» Im Unterschied zur Situation bei der Wiedervereinigung Deutschlands gelten die Georgier, Abchasen und Osseten als verschiedene Völker.
Patriarch Ilia II. verwies auf die dramatische Lage von rund 500’000 Georgiern, die durch den Konflikt ihre Heimat verloren haben. Franziskus betonte, dass jeder das Recht habe, in seinem Land zu wohnen oder dorthin zurückzukehren, wenn er vertrieben wurde.
Am Sonntag reist Franziskus nach Aserbaidschan. Bereits im Juni hatte er das benachbarte Armenien besucht und dort für Frieden im Streit zwischen Baku und Eriwan um das Gebiet Berg-Karabach gebetet.