Papst Franziskus ist zu Gast bei der «ersten christlichen Nation» in Armenien. Bei seinem Besuch stufte er am Montag das Massaker an den Armeniern erneut als Völkermord ein.
«Diese Tragödie, dieser Genozid, hat leider die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts eröffnet, die von anormalen rassistischen, ideologischen oder religiösen Motivationen ermöglicht wurden», sagte Franziskus am Freitag in Eriwan bei einem Treffen mit dem armenischen Präsidenten Sersch Sarkissjan, wie Radio Vatikan berichtete.
Es war mit Spannung erwartet worden, ob der Papst den Begriff Genozid vermeiden würde, um etwa Spannungen mit der Türkei zu vermeiden. 2015 hatte die Türkei kurzzeitig ihren Botschafter aus dem Vatikan abberufen, nachdem Papst Franziskus von einem Genozid gesprochen hatte.
Nach armenischen Angaben starben bei den Massakern im damaligen Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917 rund 1,5 Millionen Armenier.
Nach armenischer Zählung haben bereits 27 Länder das Massaker als Genozid bezeichnet, darunter neben den USA, dem Vatikan und Frankreich zuletzt auch Deutschland. Die Türkei reagierte scharf auf die Resolution des Bundestags vom 2. Juni. Sie selbst spricht von einem Bürgerkrieg mit Opfern auf beiden Seiten.
«Bewunderung und Schmerz»
Zum päpstlichen Besuchsprogramm in der Südkaukasusrepublik Armenien zählt ein Gebet, das den Opfern der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich gewidmet ist. Er komme in das Land, weil die «Ereignisse» in der Geschichte des armenischen Volks bei ihm «Bewunderung und Schmerz» auslösten, hatte Franziskus am Mittwoch erklärt.
Bei seinem Besuch rief der Papst zudem die Christenheit angesichts weltweiter Bedrohungen zur Einheit auf. «Die Welt ist leider gezeichnet von Spaltungen und Konflikten (…), und erwartet von den Christen ein Zeugnis gegenseitiger Achtung und brüderlicher Zusammenarbeit», sagte Franziskus am Freitag einem vorab verteilten deutschen Redemanuskript zufolge.
Auf dem Flug nach Eriwan rief der Papst die Europäer angesichts des Brexit-Votums der Briten für einen Ausstieg aus der EU zu bedachtem Handeln auf. «Das erfordert von uns allen eine grosse Verantwortung», sagte er italienischen Medien zufolge.
Dreitägiger Besuch
Die Strassen von Eriwan erstrahlten zum Papstbesuch in Gelb-Weiss und Violett – den Farben des Vatikans und der Armenischen Kirche. Bei Sonnenschein erwarteten zahlreiche Schaulustige den Papst am Kirchensitz in Etschmiadsin vor den Toren der Hauptstadt.
Der päpstliche Besuch in Armenien dauert drei Tage. Zu seinem Besuchsprogramm zählen ein Gebet an der Gedenkstätte Zizernakaberd in der Hauptstadt Eriwan, die den Opfern der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich gewidmet ist, und ein Besuch im Kloster Chor Virap mit Blick auf den Berg Ararat in der Türkei.
Zuletzt hatte Papst Johannes Paul II. die Kaukasusrepublik im Jahr 2001 besucht. Karekin lobte brüderliche Beziehungen der beiden Kirchen. Armenien erinnere sich mit Dankbarkeit an die «historische Predigt, die den Genozid verurteilte», sagte er einer Mitschrift zufolge.