Parlament statt Volk soll künftig Richter wählen

Ab Mitte 2016 tritt ein neues Gerichtsorganisationsgesetz in Kraft, das die Wahlen an den unteren Gerichten neu regelt. Die Regierung soll künftig für Staats- und Jugendanwaltschaft Schwerpunkte festlegen können, auch auf ein Handelsgericht soll verzichtet werden.

Der Einsatz von Laien sei wichtig für die Akzeptanz der Gerichte, sagt Regierungsrat Baschi Dürr. (Bild: Alain Appel)

Ab Mitte 2016 tritt ein neues Gerichtsorganisationsgesetz in Kraft, das die Wahlen an den unteren Gerichten neu regelt. Die Regierung soll künftig für Staats- und Jugendanwaltschaft Schwerpunkte festlegen können, auch auf ein Handelsgericht soll verzichtet werden.

An den unteren Gerichten von Basel-Stadt werden weiterhin Laien als Richter amten. Statt vom Volk sollen diese jedoch künftig vom Grossen Rat gewählt werden. Dies sieht das neue Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) vor, das Mitte 2016 in Kraft treten soll.

Eine juristische Ausbildung soll im Stadtkanton auch in Zukunft nur am Appellationsgericht sowie für die Fachrichter von Arbeitsgericht und Jugendgericht Wahlvoraussetzung für Richterinnen und Richter sein. Dass es unter diesen Laien habe, sei wichtig für die Akzeptanz der Gerichte, sagte Baschi Dürr, Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartements (JSD) am Mittwoch vor den Medien.

Keine Ersatzrichter mehr

Im neuen GOG, dass die Regierung am Dienstag an den Grossen Rat weitergeleitet hat, wird wie in einer Motion verlangt auf die Unterscheidung zwischen Richtern und Ersatzrichtern verzichtet. Die Richter wurden bisher vom Volk, die Ersatzrichter dagegen vom Parlament gewählt.

Das für die Wahl der Richterinnen und Richter künftig das Parlament zuständig ist, war ebenfalls in diesem Vorstoss gefordert worden. Richterwahlen hätten beim Volk jeweils keine grosse Begeisterung und Beteiligung ausgelöst, sagte Dürr.

Bei der Wahl der Richter muss der Grosse Rat indes künftig auf Ausgewogenheit achten. Neben fachlicher Eignung sind auch die zeitliche Verfügbarkeit sowie das Geschlecht zu beachten, letzteres aber ohne Quote.

Statthalter werden Präsidenten

Neben der Neuregelung der Richterwahlen, die eine Anpassung der Kantonsverfassung und damit eine Volksabstimmung erfordert, führt das neue GOG auch zur Umbenennung der bisherigen Statthalter in Gerichtspräsidenten, da von der Funktion her keine Unterschiede bestehen. Dies ist eine der wenigen Änderungen, die nach der Vernehmlassung am Gesetzesentwurf vorgenommen wurden.

Eingeführt wird mit dem neuen Gesetz die in der Kantonsverfassung von 2005 verlangte unabhängige Justizverwaltung. Unter anderem soll künftig ein neu geschaffener Gerichtsrat Budget und Rechnung der Justiz vor dem Grossen Rat vertreten.

Keine neue Bürokratie

Mit der eigenständigen Justizverwaltung werde keine neue Bürokratie aufgebaut, versicherte Regierungsrat Dürr. Möglicherweise brauche es jedoch bei der Administration eine kleine Aufstockung, dagegen seien keine zusätzlichen Gerichtspräsidien vorgesehen, sagte Davide Donati, Leiter des Bereichs Recht im JSD.

Keine grundsätzlichen Änderungen sieht das neue Gesetz bezüglich Organisation und Aufsicht der Staatsanwaltschaft vor. Mit neuen Instrumenten sollen aber die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und die Position der Regierung über diese gleichermassen gestärkt werden.

Vorgesehen ist jedoch, die bisherige Justizkommission durch eine Aufsichtskommission Staatsanwaltschaft zu ersetzen. Weil das neue Gremium wirklich unabhängig sein soll, dürfen ihm weder Basler Regierungsräte oder Gerichtspräsidenten noch an Basler Gerichten tätige Anwälte angehören. Deshalb brauche es für die Kommission wohl auch ausserkantonale Fachleute, hiess es an der Medienkonferenz.

Auch strittige Punkte

Zu Diskussionen Anlass geben dürfte nach Einschätzung Dürrs in der vorberatenden Kommission und im Parlament die neue Bestimmung im GOG, wonach die Regierung für Staats- und Jugendanwaltschaft Schwerpunkte festlegen kann. Auch der vorgesehene Verzicht auf ein Handelsgericht dürfte laut dem JSD-Chef nicht unbestritten sein.

Nach Angaben Dürrs haben nur gerade die Kantone Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich ein solches Gericht, das für Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständig ist. In Basel-Stadt sei jedoch seitens der Wirtschaft kein «Leidensdruck» für ein Handelsgericht spürbar. Gerade KMU zögen den einfacheren Weg über das Zivilgericht vor, sagte Dürr.

Das neue GOG soll das bestehende Gesetz von 1895 ablösen, das durch zahlreiche Teilrevision zu einem Flickwerk geworden sei. Die ersten Gerichtswahlen nach neuem Recht sollen wegen der nationalen Wahlen vom Herbst 2015 erst 2016 durchgeführt werden, weshalb sich die laufende Amtsperiode um ein halbes Jahr verlängert. Vollumfänglich wirksam werden soll das neue Gesetz per 1. Juli 2016.

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