Parlament will Waffen an Länder mit «Missbrauchs-Risiko» verkaufen

Schweizer Kriegsmaterial darf künftig auch in Länder exportiert werden, in welchen Menschenrechte verletzt werden. Der Nationalrat hat als Zweitrat einer Motion mit 94 zu 93 äusserst knapp zugestimmt. Der Bundesrat muss nun die Kriegsmaterialverordnung anpassen.

Begehrtes Kriegsmaterial: Schweizer Sturmgewehre (Archiv) (Bild: sda)

Schweizer Kriegsmaterial darf künftig auch in Länder exportiert werden, in welchen Menschenrechte verletzt werden. Der Nationalrat hat als Zweitrat einer Motion mit 94 zu 93 äusserst knapp zugestimmt. Der Bundesrat muss nun die Kriegsmaterialverordnung anpassen.

Künftig darf die Schweiz Kriegsmaterial auch an Länder verkaufen, in welchen die Menschenrechte verletzt werden. Der Nationalrat stimmte am Donnerstag mit 94 zu 93 Stimmen für eine entsprechende Motion. Nun muss die Kriegsmaterialverordnung vom Bundesrat angepasst werden.

Derzeit dürfen Waffen und Munition gemäss Kriegsmaterialverordnung nämlich nicht in Länder geliefert werden, in denen «Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden». Das Parlament will Exporte neu nur noch dann verbieten, wenn ein hohes Risiko besteht, dass das zu liefernde Material für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird – die Behörden sollen jeden Fall einzeln prüfen.

Begründet wird die Lockerung mit der momentan schwierigen wirtschaftlichen Situation der Schweizer Rüstungsindustrie. Die heutige Regelung führe dazu, dass Schweizer Exporteure gegenüber der europäischen Konkurrenz benachteiligt würden. Man wolle gleich lange Spiesse, forderten mehrere Redner. Heute sei die Schweiz sogar schlechter gestellt als neutrale Staaten wie Schweden und Österreich.

Drei von fünf Basler Nationalräten sagen Ja



Drei der fünf Basler Nationalräte haben dem Vorstoss am Donnerstag zugestimmt.

Drei der fünf Basler Nationalräte haben dem Vorstoss am Donnerstag zugestimmt. (Bild: Politnetz.ch)

Unter den Befürwortern des Vorstosses befinden sich auch die drei Basler Nationalräte Sebastian Frehner (SVP), Markus Lehmann (CVP) und Daniel Stolz (FDP). «Waffen können gebraucht oder missbraucht werden», meinte Stolz auf Nachfrage. «Natürlich würde ich Waffen lieber in eine stabile Demokratie geliefert sehen. Aber das Beispiel der Ukraine zeigt, wie schnell ein Land zusammen brechen kann.»

Nicht zuletzt müsse man die Sache ganz pragmatisch betrachten – die Schweizer Rüstungsindustrie profitiere von den Exporten. «Eine Schweizer Waffe tötet nicht anders als eine amerikanische», meint Stolz. Im Extremfall setze er auf das Verantwortungsgefühl der Rüstungsunternehmer, keine Kriegsmaterialien in Gebiete zu senden, in denen Zweifel über die Verwendung der Waffen bestehen.

Für Schweizer Firmen sei heute etwa die Lieferung von Fliegerabwehrsystemen nach Saudiarabien verboten, obwohl sich diese nicht für Menschenrechtsverletzungen eigneten, sagte Walter Müller (FDP/SG). Die Lage sei prekär, zehntausend Arbeitsplätze seien direkt oder indirekt betroffen, sagte Raymond Clottu (SVP/NE).

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Amman betonte zudem, die Rüstungsindustrie sei auch für die eigene Landesverteidigung wichtig. Der Bundesrat stellte sich hinter den Vorstoss.

Friedenspolitisch unglaubwürdig

Gegner der Lockerung warnten, die Schweiz werde friedenspolitisch unglaubwürdig und setze den guten Ruf des Landes aufs Spiel. Weiter führten sie demokratiepolitische Bedenken an. Im Abstimmungskampf zur Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial vor fünf Jahren habe die Regierung noch bekräftigt, an der restriktiven Praxis festhalten zu wollen.

Bei einer Lockerung der Exportregeln bestehe die Möglichkeit, dass Schweizer Rüstungsgüter auch in Ländern wie Pakistan oder Ägypten zum Einsatz kämen, die derzeit einem Pulverfass glichen, sagte Pierre-Alain Fridez (SP/JU). Gerade jetzt zeige der Einsatz von Schweizer Waffen auf dem Maidan-Platz in der Ukraine die Brisanz solcher Lieferungen.

Ständerat und Bundesrat hatten den Vorstoss unterstützt. Auch die vorberatende Kommission des Nationalrates empfahl mit 13 zu 9 Stimmen die Annahme. Im Nationalrat waren die Stimmen schliesslich ausgeglichen (93:93), der Entscheid fiel mit Stichentscheid des Präsidenten.

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