In Haiti haben am Sonntag Parlamentswahlen stattgefunden – nach fast vierjähriger Verzögerung wegen der tiefen Krise zwischen Regierung und Opposition.
Im bitterarmen Land, in dem die Politik wegen Vetternwirtschaft und Korruption in Verruf geraten ist, wurde eine äusserst niedrige Wahlbeteiligung von nur 15 bis 20 Prozent erwartet. Bei den vorangegangenen Wahlen – die zweite Runde der Präsidentschaftswahl fand 2011 statt – waren weniger als ein Viertel der Wähler zu den Urnen gegangen.
Im Karibikstaat sind die sechseinhalb Millionen Stimmberechtigten bis Ende des Jahres unter anderem noch zu Gemeinde- und Präsidentschaftswahlen aufgerufen. Am Sonntag bestimmten sie sämtliche Abgeordneten und zwei Drittel der Mitglieder des Senats neu. Um die 139 Parlamentsposten bewarben sich 128 registrierte Parteien und mehr als 1800 Kandidaten.
Ban ruft zu Gewaltverzicht auf
Der monatelange Wahlkampf war von Gewalt überschattet. Das Nationale Netzwerk für die Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) sprach von einem «Klima des Terrors» und listete in einem Bericht die schlimmsten Vorfälle auf.
Darunter waren neun bewaffnete Zusammenstösse, fünf Morde und zwei versuchte Morde, sieben durch Schüsse, zwei durch Messerstiche und 17 durch Steinwürfe verletzte Menschen sowie zehn Prügelfälle.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon richtete am Samstag einen Appell zu gewaltfreien Wahlen an die politischen Parteien, Kandidaten und ihre Unterstützer. Diese seien aufgerufen, jedweden Streit durch «Dialog und bekannte gesetzliche Verfahren» beizulegen. Die lang erwarteten Wahlen seien ein «bedeutender Meilenstein für die Demokratie in Haiti», fügte Ban hinzu.
OAS und EU überwachen Urnengang
Für einige Sitze im Unterhaus, insbesondere solche im Wahlkreis der Hauptstadt Port-au-Prince, traten bis zu 30 Bewerber an. In den Wahllokalen waren Beobachter der Organisation für Amerikanische Staaten (OAS) und der Europäischen Union eingesetzt.
Kleinere Parteien kritisierten, dass ihre Vertreter als Beobachter in den Wahllokalen stark unterrepräsentiert seien. Dadurch bestehe die Gefahr, dass grössere Parteien den Wahlprozess beherrschten. Dazu zählen die PHTK (Parti haïtien tet kale) des seit 2011 regierenden Staatschefs Michel Martelly und die Partei Vérité (Wahrheit), die dem ehemaligen Präsidenten René Préval nahesteht.