Ungeachtet neuer Friedensgespräche in Genf mit dem Ziel einer Übergangsregierung für Syrien hat der Machthaber in Damaskus am Mittwoch Parlamentswahlen im Bürgerkriegsland abhalten lassen. Die Opposition boykottierte den Urnengang.
Die umstrittenen Parlamentswahlen fanden lediglich in den von der Regierung kontrollierten Gebieten statt, in denen 60 Prozent der syrischen Bevölkerung leben. 3500 Kandidaten stellten sich zur Wahl, zugelassen waren auch Bewerber, die nicht zur Baath-Partei des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gehören.
7200 Wahllokale öffneten in Syrien, darunter auch vier in der Wüstenstadt Palmyra, die erst vor rund drei Wochen durch die Assad-Truppen von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückerobert worden war. Das Präsidialamt veröffentlichte auch Fotos eines lächelnden Assad mit seiner Frau Asma bei der Stimmabgabe in Damaskus.
Das syrische Parlament war zuletzt 2012 gewählt worden, mehr als ein Jahr nach Ausbruch des Bürgerkriegs. Die Kammer wird von der regierende Baath-Partei dominiert. Es ist davon auszugehen, dass auch der neue Urnengang daran nichts ändert. Generell gilt das Parlament in Damaskus als der Ort, wo das Regime seine Politik abnicken lässt.
Die syrische Opposition hatte zum Boykott des Urnengangs aufgerufen. «Diese Wahlen sind eine Farce», sagte ein Mechaniker in dem von Rebellen kontrollierten Osten der Stadt Aleppo, in dem keine Wahlen stattfanden. UNO plädiert dafür, im Rahmen eines Friedensprozesses in den kommenden 18 Monaten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzuhalten.
Verhandlungen in Genf
Die neue Gesprächsrunde in Genf, die etwa zehn Tage dauern soll, sollte am Mittwochabend mit einem Treffen des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura mit Vertretern des sogenannten Hohen Verhandlungskomitees (HCN) der Opposition beginnen – ein von Saudi-Arabien geschmiedetes und vom Westen unterstütztes Oppositionsbündnis. Wegen der Wahlen in Syrien wurden die Regierungsvertreter erst am Donnerstag oder Freitag erwartet.
Die Friedensgespräche sollen nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg den Weg zu einer Übergangsregierung, einer neuen Verfassung und freien Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen ebnen. Bisher verhandeln die Konfliktparteien jedoch nicht direkt miteinander. Bei der vorherigen Verhandlungsrunde im März waren keine entscheidenden Fortschritte erzielt worden.
Tiefe Gräben
Der Graben zwischen den Vertretern von syrischer Opposition und Regierung ist tief: Die Opposition fordert ein Exekutivorgan ohne Assad für Syrien, Damaskus will nur eine erweiterte Regierung unter Einschluss von Oppositionsvertretern zulassen. Russland, das Assad auch militärisch massiv unterstützt, will zunächst eine neue Verfassung für Syrien ausarbeiten lassen.
Sorge bereitet der internationalen Gemeinschaft auch das Bröckeln des seit Ende Februar geltenden Waffenstillstands in Syrien, von dem dschihadistische Milizen wie die Organisation Islamischer Staat (IS) ausgeschlossen sind. Nach anfänglicher Ruhe wurde die Feuerpause zuletzt wieder mehrfach gebrochen. Befürchtet werden demnächst vor allem schwere Kämpfe um Aleppo.
De Mistura zeigte sich am Dienstag in einer Videokonferenz mit dem UNO-Sicherheitsrat besorgt angesichts der Gefechte. Die UNO-Botschafterin der USA, Samantha Power, sagte, da die syrische Regierung ihre Zusagen nicht einhalte, «hat der politische Prozess kaum Chancen auf Erfolg».