Lucien Favre zieht sich per sofort zurück in Mönchengladbach. Der Trainer des Tabellenletzten reagiert damit auf den komplett missratenen Saisonstart mit fünf Niederlagen in Serie.
Im Verlauf des Sonntags fanden mehrere Gespräche mit der Klubführung statt. Zunächst setzte der Verein alles daran, den Schweizer umzustimmen. Aber Favre hielt an seinem Entschluss fest. Er glaube nicht mehr daran, den Umschwung schaffen zu können. Die Equipe brauche neue Impulse, so der Romand.
«Ich habe nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein. Da muss ich ehrlich zu mir und meinen Partnern professionell sagen: Es geht um den Verein, um den Mythos Borussia! Ich muss diese Entscheidung für Borussia und die Zukunft treffen», erklärte Favre in einem persönlichen Statement. Er sei lange genug im Geschäft, um zur Erkenntnis zu gelangen, «dass es jetzt an der Zeit ist und die beste Entscheidung für den Verein und die Mannschaft eine Veränderung herbeizuführen.»
Vier Jahre und sieben Monate war der 57-jährige Westschweizer am Niederrhein tätig. Er führte den fünfmaligen Titelträger innerhalb von vier Saisons aus der Versenkung an die erweiterte deutsche Spitze und im letzten Frühling erstmals in der Vereinsgeschichte direkt in die Champions League.
Tristesse pur im Borussia-Park
Von Jubelsturm über die beste Rückrunde – fünf Punkte vor Bayern München – seit den goldenen Siebzigerjahren ist nichts mehr zu spüren. Der schlimmste Auftakt zur Saison seit dem Debüt in der Bundesliga vor 50 Jahren überschattet alle, die Euphorie ist wie weggeblasen, im Borussia-Park herrscht Tristesse pur.
Im Cup auf St. Pauli (4:1) deutete noch nichts auf den epochalen Absturz hin. Aber das 0:4 in Dortmund warf erste Fragen auf. Zwei vermeidbare 1:2-Niederlagen gegen Mainz und in Bremen vergrösserten die Negativdebatte. Und beim 0:3 gegen den HSV grassierte bereits panische Angst. Das 0:1 im Derby gegen Köln war der eine Fehltritt zu viel für Favre.
Von der totalen Verunsicherung wurde auch der Chef-Stratege selber erfasst. Favre wog ab, zweifelte, stellte um, bemühte sich fast fieberhaft, aber ergebnislos um neue taktischen Lösungen. Die im Sommer auf zwei Schlüsselpositionen veränderte Equipe ist aus der Balance geraten.
Bereits der zweite miese Start
Besserung in absehbarer Zeit hielt der Westschweizer nun offenbar nicht mehr für möglich. Drei Tage vor dem nächsten Heimspiel gegen Augsburg und einen Woche vor dem womöglich kursweisenden Duell mit dem ebenso schlecht gestarteten VfB verliess er den Ort seiner wertvollsten Erfolge in Deutschland freiwillig.
Zurück bleibt ein Scherbenhaufen, der eigentlich so gar nicht zu einem Mann passt, der in über 70 Prozent seiner 153 Bundesliga-Einsätze mit Mönchengladbach nicht verloren hat und einen Vertreter der wirtschaftlichen Mittelklasse zu vier einstelligen Tabellenplätzen führte.
Favres Abgang wird dem Klub womöglich erheblich zusetzen. Die Borussia plante langfristig mit dem Romand, der sich in Deutschland einen erstklassigen Ruf geschaffen hat. Der «Fohlenflüsterer» («Zeit») erhielt zuletzt Lob von allen höheren Instanzen. «Favre stellte die Glaubwürdigkeit des Klubs wieder her», lobte Ottmar Hitzfeld in einem Interview mit der Sportinformation Anfang Jahr.
Zum zweiten Mal wird ihm nun aber eine desaströse Startphase zum Verhängnis. Bei seiner ersten Station in Berlin sackte er von Position 4 aus direkt ans Ende der deutschen Klubskala – die Entlassung war unausweichlich. In Gladbach bestimmte hingegen Favre den Zeitpunkt der Trennung.