Im Abstimmungskampf um den Strassenfonds NAF spielte die neue Abgabe für Elektroautos eine untergeordnete Rolle. Doch sie ist umstritten. Die Diskussion geht nach Annahme der Verfassungsgrundlage erst richtig los.
Der neue Verfassungsartikel erlaubt dem Bund, auf anderen Antriebsmitteln als Benzin und Diesel eine Abgabe zu erheben. Es geht dabei in erster Linie um Strom: Der Bund rechnet damit, dass der Anteil Elektroautos bis 2030 auf rund 11 Prozent steigt. Das in der NAF-Botschaft dargestellte Szenario geht von 560’000 Autos aus, die nach geltendem Recht einzig über die Vignette einen Beitrag an die Strasseninfrastruktur leisten würden.
Das soll sich schon 2020 ändern. Im Bundesamt für Strassen (ASTRA) sind nach dem Ja zum NAF die Arbeiten an der neuen Rechtsgrundlage angelaufen. Die Abgabe soll am Anfang jährlich ungefähr 90 Millionen Franken einbringen, was pro Elektroauto durchschnittlich 370 Franken ausmacht. Denkbar sei eine Pauschale oder eine leistungsbezogene Abgabe, heisst es beim ASTRA auf Anfrage.
Eine Jahrespauschale wäre einfach zu erheben und daher attraktiv für die Verwaltung. Verkehrsministerin Doris Leuthard jedenfalls scheint Sympathien für die Lösung zu haben. Die Vignette sei auch eine Pauschale, unabhängig von der tatsächlichen Benützung der Autobahn, hatte sie im Nationalrat erklärt.
Unökologische Elektroautos
Für die von der sda befragten Organisationen kommt eine Pauschale aber nicht in Frage. Wer mehr fahre, zahle mehr – das gelte auch bei Benzin oder Diesel, sagte Caroline Beglinger, Co-Geschäftsleitern des Verkehrs-Club der Schweiz (VCS). Nur mit einer verbrauchsabhängigen Abgabe könnten wichtige ökologische Komponenten ins Spiel kommen.
Dazu gehört für Beglinger nicht nur der Stromverbrauch, sondern auch die Art des getankten Stroms. «Wer mit dem europäischen Strommix fährt, braucht so viel Kohlestrom, dass er mit einem E-Auto der Umwelt mehr schadet als mit einem guten Gas- oder Hybridauto», sagte sie. Wer Strom aus erneuerbaren Energien tanke, sei erheblich klimafreundlicher unterwegs und sollte daher auch weniger zahlen.
Die Fachgesellschaft e’mobile des Elektrotechnik-Verbands Electrosuisse lehnt eine Pauschale ebenfalls ab. «Es gibt viele Leute, die E-Fahrzeuge nur für kurze Strecken nutzen», sagte Fachstellen-Leiter Philipp Walser. Fairer sei daher eine Abgabe gemäss den gefahrenen Kilometern.
Bremsspur im Markt
Walser hat weitere Vorbehalte. Seiner Meinung nach ist die Einführung der Abgabe erst dann sinnvoll, wenn es einen Massenmarkt für Elektroautos gibt. Laut Walser ist das ab einem Anteil von 10 bis 15 Prozent der Fall.
Gleich tönt es beim Touring Club Schweiz (TCS). Die Einführung der Abgabe auf Elektroautos sollte nicht an ein Datum gekoppelt sein, sondern an einen signifikanten Anteil an neu immatrikulierten Elektroautos, heisst es in einer Stellungnahme. Die Rede ist von 15 Prozent. Darunter sei die Beteiligung der Elektroautos weder für die Entwicklung der Elektromobilität noch für die Äufnung des NAF sinnvoll.
Die Pauschale fällt auch beim TCS durch: Elektroautos verursachten keine oder bedeutend weniger Emissionen, trügen wesentlich zur Erreichung der Klima- und Emissionsziele bei und reduzierten die Erdölabhängigkeit. Zudem sei die jährliche Fahrleistung geringer als bei konventionellen Autos. Eine Pauschale sei deshalb keine zielführende Lösung, schreibt der TCS.
Technische Fragen
Offen ist die Frage, wie eine verbrauchsabhängige Abgabe mit sinnvollem Aufwand erhoben werden kann. Andreas Burgener, Direktor der Autoimporteur-Vereinigung auto-schweiz, hält das Problem für technisch lösbar. Der Verbrauch liesse sich mit einem einfachen Zusatzgerät im Auto messen, ähnlich dem Stromzähler im Keller, sagte er.
Keine Option ist für Burgener der Aufbau einer Infrastruktur, die den Weg für ein Mobility Pricing ebnen würde. Bei e’mobile denkt man jedoch genau in diese Richtung. Das sei die fairste Lösung, sagte Fachstellenleiter Walser. Das scheint auch die Meinung der Verkehrsministerin zu sein: Es gebe kein absolut gerechtes System ausser ein Mobility Pricing, erklärte Leuthard im Parlament.
Nun ist ihr Departement gefordert. Eine Vernehmlassungsvorlage könnte schon dieses Jahr vorliegen.