«Plötzlich wird die Polizei zum Sparringpartner»

Die Polizei gerät immer mehr zur Zielscheibe von Gewalt und Drohungen. Polizeikommandant Gerhard Lips sieht darin nicht zuletzt ein gesellschaftliches Problem. Getestet werden Helmkameras zur Beweissicherung.

Die «Polmedinfo» findet vierteljährlich statt und informiert über die Entwicklungen und Statistiken der Kantonspolizei Basel-Stadt. (Bild: Livio Marc Stöckli)

Die Polizei gerät immer mehr zur Zielscheibe von Gewalt und Drohungen. Polizeikommandant Gerhard Lips sieht darin nicht zuletzt ein gesellschaftliches Problem. Getestet werden Helmkameras zur Beweissicherung.

Er könne nicht auf jahrelange Erfahrung zurückblicken, sagte der gewohnt sattelfeste Baschi Dürr anlässlich der vierteljährlichen «Polmedinform». In seinen Augen sei das Jahr 2013 aber, obwohl anstrengend und intensiv, kein ausserordentliches Polizeijahr gewesen – sondern «was die Polizei 365 Tage im Jahr halt so macht».

Und was sie in Zukunft wohl intensiver «halt so macht», ist Selbstschutz. Seit 2008 hätten Gewalt und Drohungen gegenüber Beamten im Dienst kontinuierlich zugenommen, erklärte Kommandant Gerhard Lips. So stark, dass diese Delikte in der Kriminalstatistik die markanteste Zunahme aufweisen: Von 162 Taten stieg die Anzahl Vergehen im Jahr 2013 auf 214. Prozentual einzig getoppt von der Anzahl Fälle von schwerer Körperverletzung, welche von 14 auf 28 anstiegen.

«Ein gesellschaftliches Phänomen»

Ein Problem, dass die Polizei sichtlich beschäftigt. Grundsätzlich gebe es verschiedene Gründe für den Anstieg, sagt Lips. Stärkere Präsenz in «gewaltbereitem Umfeld», wie Ausgehzonen oder an Fussballspielen, resultiere darin, dass die Polizei, welche zwischen Konfliktparteien eine Pufferzone bilden will, wörtlich zwischen die Fronten gerät: «Plötzlich wird die Polizei zum Sparringpartner.»

Einzig als Reaktion auf die Präsenz der Polizei versteht Lips die Vergehen gegenüber Beamten allerdings nicht, es handle sich vielmehr um ein gesellschaftliches Phänomen. «In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass der Respekt und die Akzeptanz gegenüber der Polizei immer mehr schwindet.» Die Polizei selbst könne nichts dafür, meint Lips, auch «alte Leute» würden nicht mehr respektiert.

Helmkamera als Beweismittel

Als Schutzmassnahme für die Beamten sieht Lips in erster Linie, dass gewaltsame Übergriffe und Drohungen rapportiert und nicht «einfach so hingenommen» werden – und fügt an: «Vor 20 Jahren bekam der Täter eine Ohrfeige und die Sache war erledigt», so einfach ginge das heute nicht mehr.

«Vor 20 Jahren bekam der Täter eine Ohrfeige und die Sache war erledigt.»


Kommandant Gerhard Lips

Weiter soll die Ausrüstung der Einsatzkräfte konsequenter als Schutzmittel eingesetzt werden – wie beispielsweise Helmkameras, die derzeit in einem Pilotprojekt getestet werden. Gerade in heiklen Einsätzen könne die Schuldzuweisung so einfach erfolgen sowie bewiesen werden, von wem Gewalt ursprünglich ausging. Lips relativiert jedoch: «Primär zählt die Aussage der Polizisten. Liegt jeweils Videomaterial vor, könnte das deren Darlegung nachhaltig entkräften.» Beweismittel würden künftig ganz anders gewichtet werden.

Die Einbrecher fliehen aufs Land

Die stärkere Präsenz uniformierter Beamter in der Stadt führe allerdings nicht nur dazu, dass diese sich einiges gefallen lassen müssen – sondern schrecke auch Einbrecher ab, wie Lips nicht ohne Stolz sagt. «Wenn wir im urbanen Umfeld stärker präsent und schneller aktiv sind, hat das eine Verlagerung vom Stadt- auf den Landkanton zur Folge, wo die Polizeidichte nicht so hoch ist.»

Gesamtschweizerisch sei dieses Phänomen beobachtbar. In Basel-Stadt selbst gingen dementsprechend die Diebstähle – von Einbruch- über Taschen- bis und mit Fahrzeugdiebstahl – allesamt zurück. Und die von Lips vermutete Verlagerung scheint nicht weit gefehlt: Im Kanton Basel-Landschaft stiegen die Einbruchsdelikte unterdessen um 11 Prozent auf 15’504.

Die Problematik liegt im Verkehr

Während die Kriminalstatistik grundsätzlich sinkende Zahlen ausweist, zeigt die Verkehrsunfallstatistik das Gegenteil. Zwar verzeichnete man im 2013 lediglich zwei Unfalltote – jeweils durch eine Kollision von Fahrrad und Fussgänger –, alle anderen Zahlen sind jedoch gestiegen. Hauptmann Rolf Thommen verweist insbesondere auf den Alkohol, welcher bei jedem siebten Vorfall im Spiel sei.

Darauf will er in Zukunft auch den Fokus setzen: «Wir sprechen nicht davon, ein paar Hundert mehr Kontrollen zu machen, sondern ein paar Tausend, ein paar Hunderttausend mehr.»

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