Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hat sich vor den Medien überrascht gezeigt vom Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Mindestkurs zum Euro aufzuheben. Er betonte jedoch, die SNB sei unabhängig und habe diesen Entscheid fällen dürfen.
Er sei von SNB-Präsident Thomas Jordan am Donnerstagvormittag informiert worden, kurz vor der Öffentlichkeit, sagte Schneider-Ammann. Die Firmen seien nun zusätzlich gefordert. Er habe aber Vertrauen, dass sie sich arrangieren würden und dass es gelinge, die Beschäftigung hoch zu halten.
Am Nachmittag hat sich der Ausschuss Wirtschaftspolitik des Bundesrates getroffen, dem neben Schneider-Ammann Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Umweltministerin Doris Leuthard angehören. Er liess sich vom Nationalbankpräsidenten informieren und diskutierte mögliche Auswirkungen des Entscheids auf die schweizerische Volkswirtschaft.
Der Mindestkurs der SNB sei ein «wichtiges und gutes, aber stets befristetes Instrument» gewesen, das Schweizer Unternehmen Planungssicherheit gegeben habe, schreibt der Ausschuss in einer Mitteilung. Er habe Vertrauen in die Nationalbank, dass sie die Preisstabilität gewährleiste und dabei die konjunkturelle Entwicklung berücksichtige.
«Neue Unsicherheit»
Unterschiedlich wurde der Entscheid der SNB von den Politikern aufgenommen. Währen Vertreter der Linken von einem gefährlichen Entscheid sprechen und den Verlust von Stellen befürchten, geben sich Bürgerliche gelassener.
Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) nannte den Entscheid «brandgefährlich» und ein «va banque»-Spiel mit der Exportwirtschaft, deren wichtigster Markt der Euroraum sei. «Offenbar hat die Nationalbank dem Druck von rechts nachgegeben», sagte sie auf Anfrage.
Die Exportwirtschaft habe sich auf den Mindestkurs eingestellt. Dessen Aufgabe bringe nun neue Unsicherheit. Wegen der zu erwartenden Probleme für die Exportwirtschaft fürchtet Leutenegger Oberholzer zudem um Arbeitsplätze. Ob die höheren Negativzinsen eine Hilfe sein können, bezweifelt sie.
Auch Nationalrat Louis Schelbert (Grüne/LU) sprach von einem gefährlichen Entscheid, namentlich für den Export und den Tourismus. «Sie leben vom Euro.» Es gelte nun, alles zu versuchen, um die Gefährdung von Arbeitsplätzen abzuwenden. Für ein politisches Programm ist es aber nach seiner Auffassung noch zu früh.
«Wir müssen zuerst schauen, wie sich das Ganze einpendelt», sagte er. Sollte sich zeigen, dass die verstärkten Negativzinsen nicht ausreichten, müsse über andere Mittel nachgedacht werden, um die Exportwirtschaft und den Tourismus zu stützen. Hauptaufgabe der Nationalbank sei es nun, eine Deflation abzuwenden.
Flankierende Massnahmen gefordert
Gelassener reagieren bürgerliche Wirtschaftspolitiker: Für Nationalrat Thomas Aeschi (SVP/ZG) «musste allen im Markt klar sein, dass der Mindestkurs nicht auf ewig gehalten werden kann». Wenn sich nach dem Bekenntnis der Nationalbank zur eigenen Währung nun die Normallage wieder einpendeln werde, profitierten die Schweizer Binnenwirtschaft und auch die Sparer.
Die Exportbranchen hätten genügend Zeit gehabt, sich auf die Aufhebung des Mindestkurses einzustellen, sagte Aeschi. Da die Gefahr bestehe, dass in Exportbranchen und im Tourismus Stellen verloren gingen, sei es Sache der Politik, flankierende Massnahmen zu ergreifen, um die Zuwanderung einzuschränken.
Der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber mahnte zur Ruhe: «Vielleicht sollte der Entscheid nicht Minuten nach der Bekanntgabe beurteilt werden, sondern erst nach ein paar Tagen, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist.»
Kritisieren will er die SNB nach ihrem überraschenden Entscheid nicht. «Die Politik sollte sich aus der Geschäftspolitik der Nationalbank heraushalten.» Bisher habe die Geschäftspolitik der Nationalbank keinen Anlass zu Zweifeln gegeben.
Kriseninstrument nicht auf immer haltbar
Auch wenn die Exportwirtschaft an einem Kurs von etwa 1.10 Franken pro Euro keine Freude habe: Anderen Branchen würde dieser Kurs zu Gute kommen. Gespannt ist Graber auch auf den nächsten Schritt der Europäischen Zentralbank. Eine Nationalbank treffe keinen solchen Entscheid, ohne andere Nationalbanken zu konsultieren, sagte er.
Für FDP-Nationalrat Andrea Caroni (AR) ist es «an sich eine gute Nachricht, wenn die Nationalbank nun zum Schluss gekommen ist, dass sie den Mindestkurs zum Euro aufgeben kann.» Der Mindestkurs sei bei der Einführung 2011, als sich der Franken gegenüber dem Euro rasant aufgewertet habe, ein geeignetes Kriseninstrument gewesen.
«Diese Art der Exportstützung war damals gerechtfertigt», sagte er. Und man dürfe nicht vergessen, dass der Mindestkurs für andere Branchen und nicht zuletzt für die Konsumenten Nachteile gebracht habe. Die FDP forderte per Communiqué eine umfassende Stärkung des Standorts Schweiz, und das mit einem wirtschaftlichen Reformprogramm.
Nationalrat Thomas Maier (GLP/ZH) nannte den Schritt der SNB nachvollziehbar und mutig. «Der Zeitpunkt der Aufgabe ist nach vier Jahren angesichts der sehr robusten Wirtschaftslage in der Schweiz wohl gut gewählt», liess er sich in einem Communiqué zitieren.
Kantone erwarten Zusatzausschüttung
Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses überraschte auch die Kantone. Die Zusatzausschüttung, die nach dem Rekordgewinn der Nationalbank in die Kantonskassen fliessen soll, sieht Peter Hegglin (CVP), Zuger Regierungsrat und Präsident der Finanzdirektorenkonferenz (FDK), aber nicht in Frage gestellt.
Der Entscheid der SNB habe am Donnerstag zu Überreaktionen geführt. «Es ist falsch, daraus schon Schlüsse zu ziehen.» Zudem werde die Ausschüttung der Nationalbank auf der Basis des Ergebnisses des letzten Jahres gemacht. Es gebe also keinen Grund für die Kantone, jetzt ihre Erwartungshaltung aufzugeben.