Die Frauen, die im Herbst 2015 für einen Platz unter der Bundeshauskuppel kandidierten, waren in den Medien weniger präsent als ihre männliche Kollegen. Dies zeigt eine Studie. Die Eidg. Kommission für Frauenfragen (EKF) fordert ein längst überfälliges Umdenken.
Im Auftrag des Bundes analysierten Medienforscher der Universität Freiburg die Darstellung von Kandidatinnen und Kandidaten in der Berichterstattung in den vier Wochen vor den Wahlen. Untersucht wurden verschiedene Print- und Onlinemedien sowie das digitale Angebot der SRG aus allen drei Landesteilen.
Der Hauptbefund der Analyse von 905 Textbeiträgen, der darin enthaltenen 351 Bilder mit Kandidierenden sowie 146 Audio- und Videobeiträgen zeigt: Kandidatinnen in allen Sprachregionen sind im Vergleich zu den Wahllisten deutlich unterrepräsentiert.
Fortschrittlichere Romandie
Insgesamt betrug der Frauenanteil auf den Listen 34,5 Prozent, in der Berichterstattung der Medien lag er rund 10 Prozentpunkte tiefer. Umgekehrt profitierten Männer von einer Medienpräsenz von gut 75 Prozent, während ihr Anteil auf den Wahllisten nur 65,5 Prozent ausmacht.
Die Unterrepräsentation der Frauen in den Medien ist nicht in allen Sprachregionen gleich ausgeprägt. Die grösste Differenz (12 Prozentpunkte) besteht in der Deutschschweiz. In der Romandie ist die Differenz mit rund 7 Prozentpunkten am kleinsten. Dazwischen liegt die italienische Schweiz.
Die Ergebnisse entsprechen in etwa früheren Untersuchungen zu diesem Thema, wie es im Studienkommentar der EKF vom Dienstag heisst. Die allgemeine Untervertretung von Frauen sei ein Hindernis auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in Politik und Gesellschaft.
Die Kommission fordert deshalb die Medien auf, «den Politikerinnen in der Berichterstattung mindestens den Platz einzuräumen, den sie in der politischen Realität längst einnehmen». Medienpräsenz sei ein wichtiger Faktor für den Wahlerfolg.
Wenige Klischees bedient
Positiver weg kommen die Medien bei den Darstellungsmustern. Die kandidierenden Politikerinnen und Politiker werden laut der Studie fast durchwegs ohne Verwendung von Geschlechterstereotypen dargestellt.
Nur in 1 bis 3 Prozent der Textbeiträge spielt eine Thematisierung und Bewertung von Äusserlichkeiten eine Rolle. Zudem gibt es kein Thema, das überwiegend Kandidatinnen oder Kandidaten zugeschrieben wird. Eine Thematisierung privater Lebensumstände findet so gut wie nicht statt. Wenn doch, dann prozentual etwas häufiger bei Kandidatinnen.
«Die thematische Zuordnung sogenannter ‚harter‘ und ‚weicher‘ Themen zu den Geschlechtern scheint in der Vorwahlberichterstattung aufgebrochen worden zu sein», schreiben die Autoren der Studie. Die Vorwahlberichterstattung unterscheide sich positiv von der generellen Darstellung von Frauen und Männern in Medien.
Dies deutet laut der Frauenkommission darauf hin, dass in den Redaktionen die Sensibilität für eine geschlechtergerechte und inhaltsorientierte Darstellung der politischen Sphäre gewachsen ist. Nur vereinzelt zeige sich, dass die alten Rollenmuster noch nicht vollständig überwunden seien.
Nicht am Ende des Weges
Die Ergebnisse der Studie lassen laut den Autoren überdies vermuten, «dass Prominenz ein entscheidender Faktor ist, um die Selektionsmechanismen des Journalismus zu erfüllen». Neben dem Bisherigen-Bonus könnten auch vordere Listenplätze und insbesondere die Übernahme parteiinterner Ämter die Bekanntheit steigern und damit allenfalls die Wahrscheinlichkeit erhöhen, in der medialen Berichterstattung dargestellt zu werden.
Zur Medienberichterstattung in der Schweiz meinte der UNO-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) 2009, «dass Geschlechterstereotype, namentlich in den Medien, weit verbreitet sind». Dies trage dazu bei, die gesellschaftliche Rolle der Frauen zu verkennen und ihnen den Zugang zu leitenden Stellungen und namentlich zur Politik zu erschweren.