Düstere Aussichten für die CVP: Der Politikwissenschaftler Andreas Ladner rechnet damit, dass der Wähleranteil der traditionsreichen Partei mittelfristig auf unter 10 Prozent sinken dürfte. Eine Rückkehr zu alter Grösse hält Ladner für praktisch unmöglich.
Der Lausanner Professor sieht die Lage für die CVP düster. «Ich sehe keine Strategie, welche die Partei zur einstigen Grösse zurückführen könnte», sagte er in einem Interview, das am Samstag in den Zeitungen «Der Bund» und «Tages-Anzeiger» erschien. Als Auslaufmodell würde er die CVP zwar nicht bezeichnen – wegen ihrer Stärke in der Innerschweiz, im Wallis und im Ständerat.
Der Partei mache aber der Lauf der Geschichte zu schaffen: «Die klassischen Konfliktlinien, welche sie hervorgebracht und starkgemacht haben, existieren nicht mehr, etwa der Kulturkampf zwischen den Katholisch-Konservativen und den Liberalen im 19. Jahrhundert», sagte Ladner.
Zerreibung in internen Auseinandersetzungen
Die Partei kämpfe auch damit, dass sie das Image einer im katholischen Milieu verwurzelten Partei nicht habe abstreifen können. «Deshalb ist es ihr nicht gelungen, in den urbanen, progressiven Zentren Fuss zu fassen.»
Zwar versuche sich die Partei in städtischen Gebieten als fortschrittliche Partei zu positionieren. Das provoziere aber Konflikte mit der Basis in den Stammlanden, sagte er weiter. Die daraus folgende interne Auseinandersetzung erklärt aus Ladners Sicht zu «einem guten Teil» die vielen Niederlagen in den Kantonen.
Die CVP versteht sich als Wertepartei, doch andere Parteien thematisieren sensible Fragen wie Sterbehilfe, Abtreibung oder Homosexualität differenzierter, wie Ladner feststellt. Für die Zukunft befindet sich die Partei laut dem Politologen im Dilemma: Bei einem Rechtsruck dürfte sie Wähler an GLP und BDP verlieren, bei einem Kurs links der Mitte an die SVP und FDP.
Mehr Macht als Grösse
Zum Wählerverlust trägt laut Ladner schliesslich bei, dass die CVP als Mehrheitsbeschafferin in der Mitte stets mehr Bedeutung gehabt habe als die Grösse gerechtfertigt hätte. Ein solches Missverhältnis wirke mittelfristig zersetzend: «Die CVP wird deshalb wohl zu einer Partei mit einem Wähleranteil von unter 10 Prozent schrumpfen.»
Bei den Wahlen 2011 erreichte die CVP schweizweit 12,3 Prozent Wähleranteil – der tiefste Wert seit Einführung des Proporzes 1919. 1999 lag die Partei noch bei über 15 Prozent, 1983 bei über 20 Prozent.