In den Augen des Politologen Georg Lutz ist der Gedanke überholt, dass mit dem Wechsel von Toni Brunner zu Albert Rösti die Berner SVP in der Mutterpartei mehr Einfluss gewinnen würde. «Flügelkämpfe gibt es in der SVP keine mehr.»
«Zumindest bei den Mandatsträgern der Berner SVP fällt es schwer, zu sehen, wo sich ihre Positionen von jenen der Zürcher unterscheiden», sagte Politologe Georg Lutz am Samstag der Nachrichtenagentur sda. Und Rösti habe sich in den vergangenen paar Jahren vom moderaten Regierungsratskandidaten zu einem Politiker gewandelt, der die Positionen der SVP zu 100 Prozent mittrage.
Dass der Wechsel von Brunner zu voraussichtlich Rösti den Kurs der SVP ändern will, erwartet der Politologe der Universität Lausanne nicht: «Bei der SVP gibt es eine Sprachregelung, an die sich alle halten». Rösti werde diese Positionen genauso vertreten wie Brunner, und wie Brunner sei auch Rösti freundlich und umgänglich.
«Alte Rennleitung bestimmt die neue»
Den Entscheid der Parteileitung, mit der Empfehlung für Rösti die ganze Partei vor vollendete Tatsachen zu stellen, nennt Lutz eine «Risikostrategie». Sie funktioniere, so lange sich die Mitglieder geschlossen hinter die Ideen der Parteileitung stellten.
«Bei der SVP bestimmt die Rennleitung, wo es langgeht, und die alte Rennleitung bestimmt die neue.» Nach wie vor geschehe bei der SVP nichts gegen den Willen von Chefstratege und alt Bundesrat Christoph Blocher. «Er ist die mit Abstand wichtigste Integrationsfigur.»
CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay ist nicht überrascht, dass die SVP-Parteileitung Albert Rösti als Nachfolger für den zurücktretenden Präsidenten Toni Brunner vorschlägt. «Nicht demokratisch» findet er es, dass die Partei vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Der Walliser geht davon aus, dass Rösti ein wenig mehr konsensbereit sein wird als Brunner. Rösti stehe dem Chefstrategen Christoph Blocher weniger nahe als Brunner, und doch werde Rösti der Landwirtschaft und dem harten Flügel gefallen.
Darbellay: «Hardliner mit bernischen Rundungen»
Für Darbellay ist Rösti «ein guter Kompromiss zwischen den zwei Strömungen der Partei». Er nannte Rösti einen «Hardliner» mit «bernischen Rundungen».
FDP-Präsident Philipp Müller ist überrascht von der Rücktrittsankündigung, wie er der Nachrichtenagentur sda sagte. Erwartungen an die SVP unter neuer Führung äusserte er nicht: «Es ist nicht an mir, Erwartungen zu haben», sagte er lediglich.
Ebenso wenig kommentieren wollte Müller das Vorgehen der SVP, bereits bei der Bekanntgabe des Rücktritts einen Nachfolger vorzuschlagen: «Es ist Sache der SVP, wie sie die Nachfolge von Toni Brunner regelt.»