Der frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ist am Dienstag im nordfranzösischen Lille von der Polizei verhört worden. In der so genannten Callgirl-Affäre geht es um Sex-Partys mit Prostituierten, an denen der frühere Hoffnungsträger der Sozialisten teilgenommen hatte.
Strauss-Kahn bestreitet die Teilnahme an den Partys nicht, doch will er nicht gewusst haben, dass es sich um Prostituierte handelte. Die Justiz ermittelt seit vergangenem Herbst gegen mehrere Hauptverdächtige unter anderem wegen des Vorwurfs der „bandenmässigen Zuhälterei“.
Die Partys, an denen auch mindestens ein hochrangiger Polizeichef teilgenommen haben soll, fanden in Paris und Washington statt. Im Zentrum der Ermittlungen steht die Frage, ob Strauss-Kahn womöglich Beihilfe zu „bandenmässiger Zuhälterei“ leistete und die Partys selbst mitorganisierte. Eine Reise nach Washington, wo er als IWF-Chef seinen Amtssitz hatte, soll auf seine Einladung hin erfolgt sein.
Laut Zeugenaussagen wurden die Reise- und Hotelkosten sowie die Frauen von zwei Geschäftsmännern bezahlt. Mindestens einer von ihnen soll dafür eine Summe von etwa 50’000 Euro aus der Kasse seines Baukonzerns Eiffage veruntreut haben. Sollte der Ex-Minister dies gewusst haben, könnte er wegen Beihilfe zur Veruntreuung belangt werden.
Strauss-Kahn, der selbst seit Monaten darauf gedrängt hatte, zu dem Fall befragt zu werden, sollte in Lille zunächst in Polizeigewahrsam genommen werden. Dieser dauert in der Regel bis zu 48 Stunden. In Sonderfällen kann das Verhör, das in einem offiziellen Ermittlungsverfahren münden könnte, auf vier Tage verlängert werden.
Wahlkampf in Lille
Die Affäre wird auch politisch ausgeschlachtet. Anhänger von Strauss-Kahn sind überzeugt, dass es sich bei der Serie von Vorwürfen um ein politisches Komplott handelt, um den zuvor aussichtsreichen Rivalen von Staatspräsident Nicolas Sarkozy auszuschalten.
Derweil erklärte die Wahlkampfsprecherin von Präsident Nicolas Sarkozy, Nathalie Kosciusko-Morizet, möglicherweise fördere das Verhör von Strauss-Kahn auch Erkenntnisse über die „Praktiken“ der Sozialisten in den Departements Nord und Pas-de-Calais zutage, wo Lille liegt. Die Sozialisten in der Region sollen ein geheimes Finanzierungssystem aufgebaut haben.
Zufall oder nicht: Für Donnerstag ist ein grosser Wahlkampf-Auftritt Sarkozys im sozialistisch regierten Lille angekündigt – genau zum Abschluss des 48-stündigen Polizeigewahrsams von Strauss-Kahn.