Poller, Fabeltiere und Maschinen-Monster bringen Nantes zum Blühen

Herrliche Stadtparks, pulsierende Werften und irrwitzige Maschinen: Für Nantes reicht ein Wochenende nicht, zumal man den Atlantik bereits riechen kann.

Nasses Vergnügen: Am Grand Éléphant hätte Jean Tinguely seine Freude gehabt.

(Bild: Flickr/ CC Lizenz/ Guilhem Vellut)

Herrliche Stadtparks, pulsierende Werften und irrwitzige Maschinen: Für Nantes reicht ein Wochenende nicht, zumal man den Atlantik bereits riechen kann.

Kaum zu glauben: Noch in den 1960er-Jahren wies Nantes die höchste Alkoholiker-Quote Frankreichs auf. Der Niedergang der Werften hatte die 50 Kilometer vom Atlantik entfernte Stadt ins Elend gestürzt. 

Heute sind aus dunklen Spelunken trendige Clubs geworden, und in den heruntergewirtschafteten Lagerhallen am Loire-Ufer steppt abends der bretonische Bär.

Ein zweiter Frühling

Für den Aufschwung sorgten die TGV-Verbindung nach Paris (zwei Stunden), die 1962 wiedereröffnete Universität sowie ein innovatives Aufwertungsprojekt.

Der vormalige Bürgermeister, Jean-Marc Ayrault, heute Frankreichs Aussenminister, hat es ins Leben gerufen. Seither erlebt Nantes einen zweiten Frühling im Zeichen von Kunst und Kultur. 

Gegen 60’000 Studenten bringen Leben und Kreativität in eine Stadt, die den nötigen Freiraum beherzt zur Verfügung stellt: Der motorisierte Individualverkehr wurde weiträumig aus der gesamten Kernstadt verbannt – das Poller-System funktioniert hier tadellos!

Ein grüner Burggraben für die Anwohner

Und auf den Plätzen, einst primär Verkehrsdrehscheiben, künden heute Strassencafés, Wasserspiele und Blumenarrangements vom Sieg des Menschen über die Maschinen.

Selbst eine Ringstrasse wurde verlegt, während nun eine «Douve verte», ein grüner Burggraben, die Wohnquartiere abschirmt.



Eine Stadt hält sich fit: Offenes Training im Burggraben

Eine Stadt hält sich fit: offenes Training im Burggraben (Bild: Alexander Marzahn)

Und das Gewerbe?

Es ist nicht zugrunde gegangen, sondern blüht mit zahllosen Läden jeder Couleur. 10’000 Menschen ziehen jedes Jahr nach Nantes – «La Capital Verte» hat vieles richtig gemacht.

Frankreichs sechstgrösste Stadt lässt sich perfekt zu Fuss erkunden: Man muss nur der grünen (sic!) Linie auf den Pflastersteinen folgen, die in mehreren Routen durch enge Gassen und breite Boulevards führt.

Am schönsten sind die Parks

Wer die klassischen «Monuments» – die gotische Kathedrale, das Theater Graslin, die mächtige Schlossanlage – besucht hat, hat die Hauptattraktion noch nicht gesehen: Nantes verfügt über unglaublich schöne Parks, 100 insgesamt, darunter elf Obst- und Gemüsegärten, die zum Naschen einladen.



Ein englischer Garten in Frankreich: Der Jardin des plantes ist ein Traum für Flaneure

Ein englischer Garten in Frankreich: Der Jardin des plantes ist ein Traum für Flaneure (Bild: Flickr/ CC Lizenz/ Fab5669)

Für Flaneure besonders zauberhaft sind der Jardin Japonais auf einer grünen Flussinsel sowie der Botanische Garten beim Bahnhof, eine historische Anlage, die von Claude Ponti, Jugendbuchautor mit grünem Daumen, in eine Märchenwelt voller origineller Pflanzengeschöpfe verwandelt wird. 



Wunderwelt: Kinderbuchautor Claude Ponti hat den Jardin des plantes verzaubert.

Wunderwelt: Kinderbuchautor Claude Ponti hat den Jardin des plantes verzaubert. (Bild: Alexander Marzahn)

Tollkühne Maschinen-Monster

Wie eine Antithese wirkt dagegen das urbane Entwicklungsgebiet am Hafen. Dort findet sich der aufregendste Ort der Stadt, die «Machines de l’île». Jean Tinguely hätte seine Freude gehabt an dieser retro-futuristischen Welt irgendwo zwischen «Mad Max» und Jules Verne (dem berühmtesten Sohn von Nantes).

Aus den tollkühnen Ideen einer Künstlergruppe hervorgegangen, begegnet man Maschinenungetümen wie dem Meereswelten-Karussell oder dem Grand Éléphant, einem Zwölf-Meter-Koloss aus 48 Tonnen Stahl und Holz, der 50 Personen transportieren kann.

Zwar ist der sanfte Riese im Schneckentempo unterwegs, doch wer nicht aufpasst, kriegt eine Dusche aus dem gelenkigen Rüssel ab. Die Attraktion ist sinnbildlich für den Geist von Nantes: Aus den Relikten des Industriezeitalters geboren, begeistert sie heute Jung und Alt und macht die lebhafte Stadt um eine Attraktion reicher.

  • Aufwärts schlendern: Die schicke Einkaufspassage Pommeraye, 1843 nach Pariser Vorbild gebaut, diente schon manchem Regisseur als Filmkulisse.
  • Auswärts essen: Was in Italien die Pizza, sind hier die Galettes (Pfannkuchen): In allen Varianten, an jeder Strassenecke, am besten mit «blé noir» (Buchweizenmehl). 
  • Westwärts fahren: Für einen Tag am Atlantik nimmt man den Zug bis zur Endstation Le Croisic (mit idyllischem Hafen und schönem Küstenwanderweg).
  • Ostwärts radeln: Mit dem Velo ein paar Kilometer der Loire entlang – oder gleich weiter auf der Radroute EuroVelo6 bis Basel. Mietvelos bei Détours de Loire

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