Angesichts fortdauernder Kämpfe in der Ostukraine hat Präsident Petro Poroschenko am Dienstag die Einrichtung humanitärer Korridore angeordnet. Durch diese sollen tausende Zivilisten in Sicherheit gebracht werden.
Um weitere Opfer «im Gebiet des Anti-Terror-Einsatzes» zu vermeiden, müsse die Regierung die Bedingungen schaffen, dass Zivilisten die Region verlassen könnten, teilte Poroschenkos Büro mit. Die Behörden sollen den Transport der festsitzenden Zivilisten organisieren, für ihre Aufnahme sorgen, Lebensmittel und Medikamente bereitstellen.
Seit Mitte April geht das ukrainische Militär gegen prorussische Separatisten im Osten der Ukraine vor, die dort wichtige Städte besetzt halten und sich immer wieder Gefechte mit Soldaten liefern. Seit dem Beginn der Offensive wurden schon mehr als 200 Menschen getötet. Die Versorgungslage vieler Bewohner ist dramatisch.
Angriff auf Flughafen von Lugansk
Am Dienstag griffen Separatisten mit Mörsern und automatischen Schusswaffen den bereits geschlossenen Flughafen von Lugansk an, wie aus der ukrainischen Einheit vor Ort verlautete. Bei neuen Kämpfen bei Slawjansk seien über Nacht zwei Soldaten verletzt worden, sagte ein Militärsprecher. «Die Bewaffneten versuchen, aus der Einkesselung auszubrechen», hiess es in einer Erklärung des Militärs.
Dessen ungeachtet sieht der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier Chancen für eine Entspannung. Er habe die «Bereitschaft von allen Seiten» gesehen, zu einer «Deeskalation» beizutragen, sagte er nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Russland und Polen, Sergej Lawrow und Radoslaw Sikorski, in St.Petersburg. An die Stelle der Zuspitzung sei eine «neue Atmosphäre» getreten.
Lawrow trat der Einschätzung entgegen. Zwar sagte er zur Ankündigung der humanitären Korridore: «Wir begrüssen das.» Aber «an einigen Orten werden wir Zeugen einer Eskalation von Militäreinsätzen».
Poroschenko hatte bei seiner Vereidigung am Wochenende sein Ziel erläutert, die Gewalt so schnell wie möglich zu stoppen, und damit neue Hoffnungen geweckt. Nicht nur Moskau kritisiert das Vorgehen des ukrainischen Militärs. Menschenrechtsgruppen sind zunehmend alarmiert über die Härte, die die Regierungstruppen auch in bewohnten Gebieten anwenden.
Kein Kontakt zu entführten Beobachtern
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat weiterhin keinen Kontakt zu den acht Ende Mai festgesetzten Mitarbeitern in der Ostukraine. «Wir wissen nichts über ihren Aufenthaltsort», sagte OSZE-Sprecherin Irina Gudyma am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Kiew.
Ende Mai war der Kontakt zu zwei OSZE-Beobachterteams in der Ostukraine abgebrochen. Vier Beobachter aus der Schweiz, Dänemark, der Türkei und Estland waren im Gebiet Donezk unterwegs gewesen. Vier weitere, deren Nationalität die OSZE bisher nicht offenlegt, sowie eine Dolmetscherin verschwanden bei Sewerodonezk im Gebiet Lugansk.
Prorussische Kräfte in der umkämpften Ostukraine hatten erklärt, die OSZE-Teams bei sich «zu Gast zu haben». Den Ausländern gehe es gut. Die militanten Gruppen hatten der ukrainischen Regierung angeboten, die Beobachter gegen prorussische Gefangene einzutauschen. Seit mehr als zwei Wochen gibt es aber keinen Fortschritt.
Am Rande einer Konferenz der OSZE in Bern äusserte sich am Dienstag auch der derzeitige Vorsitzende der OSZE, der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter, zu den entführten Beobachtern. Man stehe in Kontakt mit den Entführern, erklärte er. Ein Abbruch der OSZE-Mission in der Ukraine steht für den Bundespräsidenten ausser Frage.