Inmitten des Konfliktes mit Russland hat die Ukraine erstmals seit Jahren wieder eine grosse Militärparade zur Feier des Unabhängigkeitstags abgehalten. Vor zehntausenden Menschen kündigte Präsident Petro Poroschenko dabei an, dass er die Armee massiv aufrüsten wolle.
Poroschenko warf Russland «Aggression» vor. Das Nachbarland habe die Ukraine in einen «richtigen Krieg» gezogen. Der Präsident gab sich aber optimistisch, dass die Ukraine den Kampf um ihre Unabhängigkeit gewinnen werde.
Zur Stärkung der Armee sollten von 2015 bis 2017 insgesamt umgerechnet 2,67 Milliarden Franken zur Verfügung gestellt werden, kündigte Poroschenko an. Damit könnten Flugzeuge, Helikopter und Kriegsschiffe modernisiert oder gekauft werden.
Aber auch jetzt sei in die Armee investiert worden. Eine Kolonne mit neuer Ausrüstung sei unterwegs in die Kampfgebiete im Osten der Ukraine, sagte der Präsident vor der jubelnden Menge.
Bei der Militärparade mit rund 1500 Soldaten rollten Panzer, Raketenwerfer und Luftabwehrsysteme durch die Strassen von Kiew. Tausende Menschen strömten auf den Unabhängigkeitsplatz und tauchten den Maidan in ein Meer aus blau-gelben Flaggen.
Die ehemalige Sowjetrepublik hatte am 24. August 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt. Die bisher letzte Militärparade aus diesem Anlass hatte es 2009 gegeben.
Merkel sichert Kiew Hilfe zu
Die Militärparade fand einen Tag nach dem Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Kiew statt, bei dem die Bundeskanzlerin unter anderem eine Kreditbürgschaft über 500 Millionen Euro zusagte. Damit sollen Projekte etwa für die Wasser- und Energieversorgung und für Schulen finanziert werden.
Die deutsche Regierung stelle zudem für den Bau von Flüchtlingsunterkünften 25 Millionen Euro bereit, kündigte Merkel nach einem Gespräch mit Poroschenko an. Merkel betonte, dass «die territoriale Integrität und das Wohlergehen der Ukraine wesentliche Ziele der deutschen Politik» seien.
Sie forderte Russland auf, sich einem beidseitigen Waffenstillstand und einer effektiven Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze nicht zu verschliessen. Notfalls werde Europa den Druck auf Moskau erhöhen: «Natürlich können wir nicht ausschliessen, wenn es nicht weitergeht, dass wir weiter über Sanktionen nachdenken.»
Moskau hatte die internationale Gemeinschaft am Freitag zusätzlich aufgebracht, indem es einen Hilfskonvoi für die notleidende Bevölkerung in der Ostukraine ohne das Einverständnis Kiews und des Roten Kreuzes nach Lugansk geschickt hatte. Die 227 Fahrzeuge kehrten am Samstag nach Russland zurück.
In der Region von Lugansk und rings um die Rebellenhochburg Donezk gingen die Gefechte zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten am Wochenende unvermindert weiter. Dabei wurde am Sonntag in Donezk unter anderem ein Spital beschädigt.
Kriegsgefangene zur Schau gestellt
Prorussische Separatisten führten am Sonntag in Donezk demonstrativ gefangengenommene ukrainische Soldaten öffentlich vor. Die bis zu 50 gefesselten und sichtlich eingeschüchterten Soldaten wurden von Rebellen auf den zentralen Leninplatz gebracht.
Mehrere hundert Einwohner beschimpften sie dort mit Rufen wie «Faschisten! Faschisten!» und bewarfen sie mit Eiern und Plastikflaschen, wie Reporter ausländischer Nachrichtenagenturen berichteten. Die ukrainischen Soldaten wurden anschliessend in zwei Busse verfrachtet und weggefahren, während sich die Rebellen-Kämpfer von der Menge feiern liessen.
Die öffentliche Zurschaustellung von Kriegsgefangenen ist weithin geächtet und wird in der Genfer Konvention von 1949 ausdrücklich verboten. Zuvor hatten die Aufständischen bereits zerstörtes Militärgerät der Regierungssoldaten im Zentrum von Donezk ausgestellt und damit ihre Gegenveranstaltung zu den Feiern in Kiew eingeläutet.