Seit weit über einer Dekade produzieren die Schweizer Fussballer in der Qualifikationsphase vor grossen Turnieren überwiegend positive Ergebnisse. So soll es weitergehen.
Wenige Tage vor dem Heimspiel gegen Lettland ist im Camp der SFV-Auswahl am Lac Léman eine Basis auszumachen, die auf eine ansprechende Fortsetzung der WM-Ausscheidungs-Kampagne hoffen lässt – eine perfekte Ausgangslage, ein gelassener Coach, ein Regisseur in Bestform. Nur eine Problemzone ist nicht zu unterschätzen: Diverse Nationalspieler sind im Klub zurzeit ohne Rolle; unter ihnen Xherdan Shaqiri.
Die Ausgangslage und das Potenzial
Die Schweiz ist mit vier Siegen in Serie perfekt zur WM-Kampagne gestartet. Das 2:0 zum Auftakt gegen den Europameister Portugal war ein Signal an die Konkurrenz und zugleich die Bestätigung der jahrelangen Fortschritte. Die SFV-Auswahl ist nicht nur in der Gruppe B vorzüglich positioniert, sondern auch im gesamten internationalen Vergleich. Im FIFA-Ranking war sie in den letzten 36 Monaten vorwiegend in den Top 12 klassiert – vor den früheren Welt- und Europameistern Italien, England und den Niederlanden.
Die Konstanz der Schweizer in einem schwierigen Milliarden-Markt mit global ausgerichteten Playern, die enorme wirtschaftliche Pipelines anzapfen und auf gewaltige personelle Ressourcen zurückgreifen können, ist imposant, der Trend hält an. Seit der EM 2004 haben sie nur ein Turnier (2012) verpasst. Köbi Kuhn, Ottmar Hitzfeld und Vladimir Petkovic haben das Nationalteam in der europäischen Spitze etabliert; einzig an der Endrunde gibt es Potenzial zur Steigerung – mehr als die Achtelfinals war nicht zu schaffen.
Der Coach und die Entspannung
Er hat schon manche Charme-Offensive unternommen und versucht, einer breiten Öffentlichkeit Einblick in seine vielschichtige Gedankenwelt zu gewähren. Italienisch, Deutsch, Französisch, Vladimir Petkovic, ein Kosmopolit mit familiären Wurzeln in Sarajevo, spricht die Sprache der Schweizer. Verstanden haben ihn trotzdem lange nicht alle. Doch der Wind hat gedreht, die anfänglichen Irritationen verflüchtigten sich. Das Kerngeschäft floriert, die Performance an der EM in Frankreich stellte die kritischen Beobachter zufrieden, die Fans äusserten sich mehrheitlich positiv.
«Vieles ist entspannter, ich spüre eine sehr positive Grundhaltung.» Dem sensiblen Nationalcoach tut der Zuspruch gut, die weichen Faktoren sind für ihn nicht unerheblich. Eine weitere Vertragsverlängerung dürfte für den Verband und den Selektionär zeitnah zum Thema werden. Petkovic lehnt sich in Lausanne zurück und lächelt: «Die Richtung stimmt.» Ein Dementi tönt anders.
Der Spielmacher und ein Bestwert
Blerim Dzemaili und die Nationalmannschaft. Im Prinzip schon immer eine Herzensangelegenheit, aber eben auch eine Verbindung mit Missverständnissen, Enttäuschungen, Schmerzen, Frust, Wutausbrüchen. Immer wieder war der Zürcher ambitioniert eingerückt und desillusioniert abgereist. Einmal musste ihn der Manager davon abhalten, das Camp im verletzten Stolz vorzeitig zu verlassen. Im letzten Sommer die grosse Wende, der späte Schulterschluss, der Happy-End-Moment: Petkovic formte den Bologna-Professional zum Spielmacher um, der 30-Jährige blühte auf.
Das Hoch hält an. In Italien hat er in 29 Partien neun Treffer markiert – ein persönlicher Bestwert. Er sei in der Form seines Lebens, liess der 55-fache Internationale via Boulevard ausrichten. Sollte er im achten Serie-A-Jahr auf diesem Level fortfahren, müsste er den Ende Saison geplanten Transfer zu Montreal Impact eigentlich verschieben. In der Major League Soccer würde er zu früh vom Radarschirm verschwinden.
Die Problemzone und Shaqiri
Trotz der makellosen Tabellenlage und der allgemeinen hohen Kreditwürdigkeit der Schweizer Equipe sind ein paar Kontrastpunkte auszumachen. Über 50 Prozent der nominierten Feldspieler aus den ausländischen Ligen können für sich im Klub keinen Stammplatz in Anspruch nehmen. Nur mit Verletzungspech und unvorteilhaften Vertragsverhandlungen ist die ungünstige Situation vieler SFV-Vertreter nicht zu erklären. Das Innenverteidiger-Duo Johan Djourou (Hamburg) und Fabian Schär (Hoffenheim), in der Bundesliga nur noch zweite oder dritte Wahl, ist Teil der prominenten Problemzone.
Der Fraktion der vielen Überzähligen gehört auch ein ehemaliger Champions-League-Sieger an: Xherdan Shaqiri, 25, ehemals in München ein Talent mit der ganz grossen Zukunft im Kopf, dann bei Inter Mailand im Rekordtempo von der Ideallinie abgekommen, nun in der englischen Mittelklasse bei Stoke City angelangt. Seit sieben Runden fehlt sein Name auf dem Matchblatt. «Es ist schwierig mit Xherdan», übermittelte der Trainer-Assistent Mark Bowen den lokalen Medien. Er habe wegen entzündeter Waden Trainingsrückstand. Shaqiri selber soll sich für fit genug gehalten haben zu spielen. Petkovic hat ihn aufgeboten – womöglich auch, um die Reha-Phase des Schweizer Topskorers besser kontrollieren zu können.