Nach Protesten der christlichen Kopten hat der ägyptische Präsident Mohammed Mursi die Termine für die Parlamentswahl geändert. Der sich über mehrere Monate erstreckende Urnengang werde einige Tage vorgezogen und beginne bereits am 22. und 23. April.
Dies teilte die Präsidentschaft am Samstagabend in Kairo mit. Ursprünglich sollte der Wahlprozess mit einer Teilwahl in der Hauptstadt Kairo und vier weiteren Provinzen am 27. und 28. April beginnen. Im Kalender der christlichen Kopten fällt auf den 28. April aber der Palmsonntag und somit der Auftakt zur Karwoche.
Der zweite Durchgang in Kairo und den vier Provinzen sollte am 4. und 5. Mai stattfinden, wenn für die Kopten wiederum Ostern ist. Deshalb wird dieser zweite Durchgang nun laut der Erklärung der Präsidentschaft am 29. und 30. April stattfinden.
In mehreren Etappen
Insgesamt soll der Wahlprozess im ganzen Land in mehreren Etappen bis Anfang Juli dauern. In ihm wird ein neues Parlament gewählt.
Das bisherige Parlament war im vergangenen Juni, nur fünf Monate nach seiner konstituierenden Sitzung, aufgelöst worden. Zuvor hatte das Verfassungsgericht die Wahl wegen formaler Fehler im Wahlgesetz für ungültig erklärt.
An seiner Stelle übernahm der Schura-Rat, das Oberhaus, die parlamentarischen Aufgaben. Er wird ebenso wie das alte Parlament von den Muslimbrüdern, die auch Mursi unterstützen, und den islamisch-fundamentalistischen Salafisten beherrscht.
Die Opposition fordert, die Wahl zunächst ganz auszusetzen und wegen der Krise im Land lieber eine Übergangsregierung aus allen politischen Kräften zu bilden. Das lehnt die Muslimbruderschaft, aus deren Reihen Mursi stammt, ab.
Vollendung der islamischen Revolution
Präsident Mursi will mit der Wahl den Schlussstein für die Umwandlungen nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak setzen. Die Muslimbruderschaft, die den gewählten Staatschef unterstützt, hat seither alle Urnengänge gewonnen.
Die Lage in Ägypten hatte sich zuletzt wieder zugespitzt. Anlässlich des zweiten Jahrestags des Aufstands gegen Mubarak zogen in den vergangenen Wochen in mehreren Städten zahlreiche Ägypter auf die Strassen, um gegen den Islamisten Mursi, die neue Verfassung und vor allem den Einfluss der Muslimbruderschaft auf Politik und Regierung zu demonstrieren.
Dabei kam es zu teils schweren Ausschreitungen, etwa 60 Menschen starben. Die instabile Lage wirkt sich auch auf die Wirtschaft des Landes aus. Die seit über zwei Jahren immer wieder aufkommenden Krawalle schrecken viele Touristen ab.
Baradei ruft zum Boykott auf
Der liberale Oppositionelle Mohamed al-Baradei rief am Samstag zum Boykott der Wahl auf. Er wolle den herrschenden Islamisten nicht die Hand zum Betrug reichen, erklärte der frühere Chef der UNO-Atomaufsicht IAEA. Bei anderen Gruppen der Opposition stiess sein Vorstoss auf Zurückhaltung.