Nach der Abhöraffäre gibt sich die SVP Waadt zwei Wochen Zeit, die Zukunft ihrer Präsidentin Fabienne Despot zu klären. Für den 13. August wurde ein ausserordentlicher Parteitag angesetzt. Der Parteipräsidentin werden nicht mehr viel Chancen eingeräumt.
Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Vier Tage nach dem Parteitag müssen die Listen für die eidgenössischen Wahlen vom 18. Oktober bei der Waadtländer Staatskanzlei eingereicht werden. Derzeit befindet sich Fabienne Despot auf den Listen für den National- und Ständerat.
«Jeder beharrt auf seinen Positionen», sagte am Mittwoch Nationalrat Guy Parmelin, der bereits öffentlich den Rücktritt von Despot gefordert hatte, der Nachrichtenagentur sda. Eine Mehrheit des Vorstands habe sich für einen ausserordentlichen Parteitag ausgesprochen, auch wenn man damit hitzige Diskussionen riskiere.
Bei der Parteileitung macht sich derweil eine gewisse Frustration breit. Das Beharren von Frau Despot – auch wenn es ihr gutes Recht sei – koste es was es wolle, an ihrer Kandidatur festzuhalten, lasse der Partei kein anderes Mittel als einen Parteitag einzuberufen, sagte Generalsekretär Kevin Grangier.
Der Imageschaden sei beachtlich, weil Fabienne Despot nicht irgendein Mitglied der Partei sei. Das beeinträchtige die Wahlchancen ihrer Mitstreiter, sagte Grangier. Die SVP Waadt verfügt über vier Sitze im Nationalrat und muss zwei Bisherige ersetzen.
Präsidentin nicht mehr zu retten
«Schlimmer kann es einer Kantonalpartei nicht gehen», sagte der Politologe und Kommunikationsberater Mark Balsiger am Mittwoch der Nachrichtenagentur sda. Anstatt die letzten zweieinhalb Monate die ganze Energie in den Wahlkampf zu stecken, müsse sie intern Schadensbegrenzung betreiben.
Fabienne Despot sei nach der Affäre nicht mehr zu retten. Der Plan mit dem ausserordentlichen Parteitag sei keine schlechte Ansage. Damit delegiere man die Entscheidung an die eigene Parteibasis. Allerdings müsste dieser Parteitag schon nächste Woche sein, statt erst am 13. August.
Die Auswirkungen für die Wahlen vom 18. Oktober seien aber schwierig abzuschätzen. Derzeit seien die Sympathisanten und Parteigänger sicherlich irritiert. Ob das aber so lange anhalten werde, sei offen.
Heimliche Tonaufnahmen
Despot wollte im April 2014 eine interne Sitzung mit einem SVP-Vertreter aus einem verfeindeten Lager heimlich aufnehmen. Weil dieser nicht zur Sitzung erschien, wurde einzig ein halbstündiges Gespräch mit den anderen wartenden Vorstandsmitgliedern aufgezeichnet.
Die Aufnahme tauchte diesen Sommer beim ehemaligen SVP-Mitglied und heutigen BDP-Politiker Jean-Luc Laurent auf. Die Waadtländer SVP beschuldigt diesen der Erpressung. Despot vermutet, dass die Aufnahmen über ihren ehemaligen Lebenspartner zu Laurent gelangten.
Jean-Luc Laurent bestätigte die Herkunft der Aufnahmen am Mittwoch in einem Interview mit der Freiburger Zeitung «La Liberté», welche die Affäre am Samstag ins Rollen gebracht hatte. Er gab an, von der Staatsanwaltschaft befragt worden zu sein.
Er habe die heimlichen Aufnahmen gegen einen Mediationsbericht zu damaligen internen Parteiquerelen eintauschen wollen. «Das war eine Dummheit», hielt der BDP-Politiker gegenüber «La Liberté» fest.
Zwei Anzeigen wegen versuchter Nötigung
Zur Hausdurchsuchung bei Jean-Luc Laurent kam es nach einer Anzeige wegen versuchter Nötigung. Die gleiche Anzeige reichte Fabienne Despot auch gegen ihren ehemaligen Lebenspartner, einen Privatdetektiv, ein.
Jean-Luc Laurent sitzt im Stadtparlament von Lausanne. Er gehörte bis im vergangenen Jahr der SVP an, bevor er zur BDP wechselte. Zudem ist er Präsident der Sektion Lausanne der BDP Waadt. Er kandidiert für die Partei bei den Wahlen vom 18. Oktober für den Nationalrat.
Er zeigte sich im Interview vom Mittwoch bereit, von seinen politischen Ämtern zurückzutreten, falls er von der Waadtländer Justiz angeklagt werde. Von der Leitung der BDP Waadt erhielt er trotz der Affäre das Vertrauen ausgesprochen.