Hunderte Menschen haben am Dienstag in Tunesien bei einem Protestmarsch ihre Unterstützung für eine Frau bekundet, die nach eigenen Angaben von Polizisten vergewaltigt wurde. Ihr wird unmoralisches Verhalten vorgeworfen.
Abgeordnete, Schüler, Lehrer und Anwälte protestierten vor dem Gerichtsgebäude in Tunis. Mit den unbegründeten Vorwürfen gegen sie solle nur versucht werden, sie zur Aufgabe ihrer Anschuldigungen gegen die Polizei zu bringen.
Der Fall hat in ganz Tunesien für Aufmerksamkeit gesorgt. Eine von gemässigten Islamisten geführte Koalition versucht gerade, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Mit besonderem Interesse wird dabei beobachtet, wie sie die Stellung und die Rechte der Frauen in der Gesellschaft definiert.
Die 27-jährige Frau wurde nach eigenen Angaben im vergangenen Monat von der Polizei angehalten, als sie mit ihrem Verlobten unterwegs war. Einer der Polizisten habe ihn in Schach gehalten, während die beiden anderen sie vergewaltigt hätten, erklärte die Frau.
Die Polizisten bestreiten das und erklärten ihrerseits, sie habe sich unsittlich verhalten, als sie mit ihrem Verlobten angehalten wurde. Bei einer Verurteilung wegen unmoralischen Verhaltens drohen ihr bis zu sechs Monate Haft.
Im Internet und auf der Strasse zeigen sich viele Tunesier bestürzt über den Fall. Sie werfen den Behörden vor, sie versuchten etwas zu vertuschen.
Sowohl die Vorwürfe gegen die Polizei, aber auch die Kundgebungen für die Frau wären zu Zeiten des im vergangenen Jahr gestürzten langjährigen Herrschers Zine al-Abidine Ben Ali undenkbar gewesen.