Der Mordprozess gegen die US-Amerikanerin Amanda Knox wird neu aufgerollt. Das höchste italienische Gericht hat den Freispruch für die 25-Jährige – die auch «Engel mit den Eisaugen» genannt wird – sowie ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito aufgehoben.
Knox ist seit ihrem Freispruch im Herbst 2011 wieder in den USA. Offen ist, ob sie zu einem neuen Prozess in Italien erscheint. Der neue Prozess soll nicht wieder in Perugia, sondern in Florenz stattfinden, entschied das Kassationsgericht.
Knox und dem Italiener Sollecito wird vorgeworfen, die britische Austauschstudentin Meredith Kercher 2007 im umbrischen Perugia bei ausufernden Sexspielen getötet zu haben. Nach einer ersten Verurteilung waren sie in zweiter Instanz in einem Indizienprozess freigesprochen worden. Dagegen hatten die Familie des Opfers und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Knox reagierte bestürzt auf die Nachricht, dass ein neuer Prozess vor dem Schwurgericht in Florenz beginnen werde. «Man glaubt mir immer noch nicht», sagte sie im Gespräch mit ihren Rechtsanwälten.
Sie habe in den USA eine schlaflose Nacht in Erwartung des Urteils verbracht. Auch der in Verona studierende Sollecito habe auf einen Schlussstrich im Fall gehofft, sagte der 29-Jährige laut seinem Verteidiger Luca Mauri gemäss der Nachrichtenagentur Ansa.
Lange Beratungen
Die Rechtsanwälte der Familie Kercher begrüssten das Urteil. «Ich hatte Vertrauen in die Kassationsrichter. Der Freispruch von Knox und Sollecito war das Resultat von zu vielen Fehlern», sagte Francesco Maresca, Verteidiger der Familie Kercher. Staatsanwalt Luigi Riello sagte: «Die Kassationsrichter haben eingesehen, dass unser Rekurs gegen den Freispruch Fundament hatte.»
Das Gericht hatte am Montag ungewöhnlich lange beraten und nicht, wie zunächst angenommen, bis zum Abend das Urteil gefällt. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, die Richter hätten in dem Berufungsverfahren mit dem Freispruch «den Kompass verloren». Eine Urteilsbegründung lag am Dienstag noch nicht vor.
Grosses Medieninteresse
Die 21 Jahre alte Austauschstudentin Kercher war am 2. November 2007 mit durchschnittener Kehle, vergewaltigt, halbnackt und von Messerstichen übersät in ihrer und Knox‘ gemeinsamer Wohnung in Perugia gefunden worden.
Zwei Jahre später waren Knox und Sollecito in einem reinen Indizienverfahren schuldig gesprochen und zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt worden. Im Oktober 2011 sprach sie ein Berufungsgericht aus Mangel an Beweisen frei, nachdem erhebliche Zweifel an DNA-Tests laut geworden waren. Beide Prozesse riefen weltweit ein grosses Medieninteresse hervor.
Knox kehrte nach insgesamt vier Jahren in italienischer Haft in ihre Heimatstadt Seattle zurück, Sollecito nahm sein Studium wieder auf. Beide waren am Dienstag nicht dabei, als die Entscheidung verlesen wurde. Sie hatten stets ihre Unschuld beteuert.
Mittäter im Gefängnis
In Haft sitzt der Ivorer Rudy Guede – jedoch wegen Mittäterschaft und nicht wegen Mordes. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt, die vom Kassationsgericht bestätigt worden waren.
Bestätigt hat das oberste Gericht zudem die Verurteilung von Knox zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Verleumdung des Barmannes Patrick Lumumba. Sie hatte ihn zunächst der Tat bezichtigt. Diese Strafe ist definitiv, Knox hat sie aber bereits in U-Haft abgesessen.