Es klingt wie eine Geschichte aus dem Kalten Krieg: Ein mutmassliches Agenten-Ehepaar soll mehr als 20 Jahre lang unter falschem Namen in Deutschland gelebt und für Russland spioniert haben. Seit Dienstag müssen sie sich vor einem Gericht in Stuttgart verantworten.
Im Oktober 2011 waren sie von Spezialeinheiten der Polizei gefasst worden und sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Beim Prozessauftakt liessen sie über ihre Verteidiger erklären, dass sie sich zu ihren Personalien und den Vorwürfen nicht äussern wollen. Die beiden mutmasslichen Spione hoffen nach Angaben ihres Verteidigers auf einen Agentenaustausch.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, in den vergangenen 23 Jahren unter anderem geheime Informationen über die politische und militärische Strategie der Europäischen Union und der NATO beschafft und an die russischen Geheimdienste weitergegeben zu haben.
Dazu sollen sie seit Oktober 2008 auch einen weiteren mutmasslichen Agenten geführt haben. Er arbeitete im niederländischen Aussenministerium und soll ihnen mehrere Hundert vertrauliche Dokumente überreicht und dafür rund 72’000 Euro bekommen haben.
Anweisungen über YouTube
Bei den beschafften Unterlagen handelte es sich etwa um Berichte über Treffen der Verteidigungsminister sowie Strategien der NATO in Afghanistan, Libyen, dem Kosovo sowie anderen Staaten, wie Bundesanwalt Wolfgang Siegmund sagte.
Weiter seien darunter Dokumente über Militär-, Polizei- und Zivilmissionen der EU gewesen. Das Ehepaar soll vom russischen Geheimdienst SWR zuletzt rund 100’000 Euro pro Jahr erhalten haben.
Anweisungen habe das Paar per Agentenfunk über Kurzwelle erhalten, sagte Siegmund. Mitteilungen an die Zentrale des Geheimdienstes SWR seien über Satellitenfunk übermittelt worden. Mindestens einmal pro Woche habe das Paar mit der Zentrale Kontakt gehabt.
Zudem hätten sie mit dem SWR über versteckte Kommentare auf der Videoplattform YouTube kommuniziert. Die beschafften geheimen Unterlagen wurden über tote Briefkästen an den SWR weitergegeben, wie der Bundesanwalt erklärte.