Unter scharfer Kritik der russischen Opposition hat vor Moskaus oberstem Stadtgericht ein Prozess gegen zwölf Teilnehmer einer Anti-Putin-Demonstration begonnen. Die Männer und Frauen im Alter von 19 bis 51 Jahren sind angeklagt, im Mai 2012 schwere Unruhen angestachelt oder an diesen teilgenommen zu haben.
Den angeklagten Demonstranten drohen bis zu acht Jahren Lagerhaft. Acht von ihnen müssen sich seit Donnerstag zusätzlich wegen Gewalt gegen Ordnungskräfte verantworten. Dieses Delikt kann mit fünf Jahren Lagerhaft bestraft werden.
Zehn der Angeklagten verfolgten den Prozessauftakt aus einem «Aquarium» genannten Glaskäfig, während zwei weitere, die derzeit nicht in Untersuchungshaft sind, im Gerichtsaal auf Bänken Platz nahmen.
Die Zwölf hatten am 6. Mai 2012, einen Tag vor der Vereidigung Wladimir Putins zu dessen dritter Amtszeit als Präsident, an einer Demonstration in Moskau teilgenommen. Bei den Protesten war es zu Tumulten zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Oppositionelle warfen der Polizei wiederholt vor, die Zusammenstösse angestachelt zu haben.
Proteste vor dem Gericht
Vor dem Gerichtssaal versammelten sich am Donnerstag dutzende Demonstranten, die Fotos der Angeklagten in die Luft hielten und deren Freilassung forderten. «Das ist ein Schauprozess», sagte Maria Archipowa, Mitglied eines Unterstützungskomitee.
Der prominente Oppositionelle Alexander Podrabinek sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Behörden versuchten nicht nur die Organisatoren, sondern auch einfache Teilnehmer von Massenversammlungen einzuschüchtern.
Kasparaow kehrt nicht mehr heim
Der russische Oppositionelle und Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow, der ebenfalls an den Protesten am 6. Mai teilgenommen hatte, sagte in einem am Donnerstag auf seiner Webseite veröffentlichten Video: «Ich habe ernste Zweifel, dass ich bei einer Rückkehr nach Moskau das Land wieder verlassen kann. Ich verzichte für den Moment darauf, nach Russland zurückzukehren.»
Er fürchte, wie andere Oppositionelle wegen seiner Teilnahme an Protesten vor Gericht gestellt zu werden, sagte Kasparow. Der 50-Jährige hält sich derzeit in Genf auf, wo er am Mittwoch eine Auszeichnung für sein Engagement für die Menschenrechte erhalten hatte.
Der frühere Schachweltmeister gehört zu den Mitbegründern der Oppositionsbewegungen Anderes Russland und Solidarität.