Vor einem Gericht im südrussischen Rostow am Don hat am Dienstag der Prozess gegen einen bekannten ukrainischen Filmemacher begonnen. Oleg Senzow werden «Terroranschläge» auf der annektierten Halbinsel Krim vorgeworfen.
Der 39-Jährige musste sich, wie bei entsprechenden Prozessen in Russland vielfach üblich, in einem Käfig im Gerichtssaal aufhalten. Senzow wird vorgeworfen, nach der Annexion der Krim durch Russland im März 2014 eine Gruppe antirussischer Saboteure koordiniert zu haben, die Anschläge auf prorussische Organisationen geplant und verübt haben sollen.
Als Teil der mutmasslichen Beweise gegen Senzow wurde im Gerichtssaal das Video eines angeblichen Brandanschlags der Gruppe auf die Büros einer prorussischen Partei gezeigt. Zudem wurden zwei Zeugen per Videolink angehört.
Senzow stammt aus Simferopol, der Hauptstadt der Krim, wo er im Mai vergangenen Jahres vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB festgenommen wurde. Sollte er für schuldig befunden werden, drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.
Mit ihm vor Gericht steht der ebenfalls proukrainische Angeklagte Alexander Kolschenko. Beide Männer weisen sämtliche Vorwürfe zurück. Als Senzow am Dienstag im Gerichtssaal erschien, formte er zur Begrüssung dutzender Unterstützer und Journalisten aus Zeige- und Mittelfinger das Siegeszeichen. «Ich betrachte dieses Gericht nicht als ein Gericht», sagte er.
Senzows Verteidiger Dmitri Dinse sagte, er zähle nicht auf ein faires Verfahren und hoffe darauf, dass sein Mandant im Rahmen eines Gefangenenaustauschs in die Ukraine ausreisen könne. Der nächste Verhandlungstermin ist der 27. Juli.
Internationale Kritik
In dem Fall waren bereits zwei andere Verdächtige zu je sieben Jahren Haft verurteilt worden. Die ukrainische Staatsführung sowie Menschenrechtsorganisationen und Berufskollegen Senzows aus aller Welt kritisieren den Prozess scharf.
In der vergangenen Woche forderte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in einem Telefonat mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande die umgehende Freilassung Senzows.
In einem offenen Brief hatten sich zuvor bereits renommierte Filmemacher an Putin gewandt, darunter der Spanier Pedro Almodóvar und der Brite Ken Loach.
Termin für Prozess gegen Pilotin festgelegt
Senzow und die Helikopterpilotin Nadja Sawtschenko gelten als die bekanntesten Ukrainer in russischer Haft. Moskau bestreitet, sie als Kriegsgefangene wegen des Konflikts in der Ostukraine festzuhalten. Der 34-Jährigen wird vorgeworfen, den Tod zweier russischer Journalisten zu verantworten zu haben.
Die Journalisten wurden im Sommer 2014 im Osten der Ukraine von einem Granatwerfer tödlich getroffen. Sawtschenko soll ihre Position an das ukrainische Militär durchgegeben haben.
Die 34-Jährige sitzt seit mehr als einem Jahr in russischer Haft, im Fall einer Verurteilung drohen ihr 25 Jahre Gefängnis. Ihr Prozess soll am 30. Juli in der südrussischen Stadt Donezk unweit der gleichnamigen Rebellenhochbug Donezk in der Ostukraine beginnen, wie am Dienstag festgelegt wurde.