Was geschah auf dem Gehöft in der norddeutschen Kleinstadt Höxter? Zum Prozessauftakt schilderte der Staatsanwalt am Mittwoch grausame Details. Frauen wurden demnach körperlich und seelisch systematisch gequält, um sie gefügig zu machen und ihren Willen zu brechen.
Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der tödlichen Misshandlungen von zwei Frauen in einem Haus in Höxter rund 70 Kilometer südwestlich von Hannover warf die Staatsanwaltschaft dem mutmasslichen Täterpaar zum Prozessauftakt gemeinschaftlichen Mord durch Unterlassen vor.
Das frühere Ehepaar Wilfried und Angelika W. habe beim Tod der Frauen aus niedrigen Beweggründen, grausam und zur Verdeckung einer Straftat gehandelt, sagte Oberstaatsanwalt Ralf Meyer vor dem Landgericht Paderborn in Nordrhein-Westfalen.
Der spektakuläre Kriminalfall im Haus des geschiedenen Ehepaares war Ende April bekannt geworden und löste deutschlandweit Entsetzen aus. Der 46-jährige Wilfried W. und seine ein Jahr ältere Ex-Frau sollen zwei Frauen im Alter von 33 und 41 Jahren wochenlang so schwer misshandelt habe, dass die aus Niedersachsen stammenden Opfer starben.
Neue Frau sollte wie Leibeigene sein
Laut Anklage misshandelten die mutmasslichen Täter in ihrem Gehöft zudem mindestens zwei weitere Frauen, die ihr Martyrium überlebten. Der Paderborner Oberstaatsanwalt Meyer sagte am ersten Verhandlungstag, das Ex-Ehepaar sei nach seiner Scheidung und vor dem Kauf des Hauses in Höxter-Bosseborn 2010 übereingekommen, dass Wilfried W. eine neue Frau haben sollte.
Diese Frau habe dem heute 46-Jährigen nach dem Willen der Angeklagten «wie eine Leibeigene» zur Verfügung stehen sollen. Nach Kontaktaufnahmen durch Zeitungsanzeigen seien die beiden späteren Opfer Annika E. und Susanne F. 2013 beziehungsweise Anfang dieses Jahres in das Haus der Ex-Eheleute gezogen, die dort weiter zusammen lebten.
Prügel, Tritte und Folter
Angelika W. sei den Frauen jeweils als Schwester von Wilfried W. vorgestellt worden. Meyer schilderte in der Anklageschrift grausame Folterungen, die zunächst Annika E. und nach deren Tod 2014 auch die im vergangenen April gestorbene Susanne F. den Ermittlungen zufolge ertragen mussten. Die Angeklagten hätten den Frauen den «Willen gebrochen», indem sie ihre Opfer unter anderem verprügelt und getreten hätten.
Susanne F. seien «komplette Haarbüschel ausgerissen» worden, Annika E. hätten die Angeklagten in der Badewanne angekettet. Beide Frauen hätten schliesslich nicht mehr laufen können. Dabei habe das mutmassliche Täterpaar um die «erheblichen Schmerzen» seiner Opfer gewusst. Auch habe es gewusst, dass deren Lage «psychisch zunehmend unerträglich» wurde, sagte der Anklagevertreter.
Die Misshandlungen in dem Haus in Höxter waren bekannt geworden, als das geschiedene Paar Ende April die schwerstverletzte Susanne F. kurz vor deren Tod zurück nach Niedersachsen bringen wollte – um auf diese Weise seine Taten zu verschleiern, wie Meyer sagte. Auf der Fahrt hatte das Paar eine Autopanne und rief einen Rettungswagen. Die 41-Jährige starb wenig später im Krankenhaus.
Prozess-Fortsetzung Mitte November
Vor dem Paderborner Landgericht will sich Angelika W. im weiteren Verfahrensverlauf zu den Vorwürfen äussern, wie ihr Verteidiger am ersten Verhandlungstag ankündigte. Wilfried W. wird dagegen nach Angaben seines Anwalts zunächst schweigen, seine Verteidiger wollen jedoch voraussichtlich bei der Fortsetzung des Prozesses am 16. November eine Erklärung verlesen.
Die Verteidigung von Wilfried W. beantragte zudem am ersten Prozesstag, dass der 46-Jährige von einem zweiten Gutachter psychologisch untersucht werden soll. Ein bereits vorliegendes Gutachten, in dem seinem Mandanten eine sadistische Persönlichkeitsstörung bescheinigt werde, weise «fachliche Fehler» auf.