Prozessauftakt zum Hariri-Mord inmitten neuer Gewalt im Libanon

Neun Jahre nach dem tödlichen Anschlag auf den libanesischen Ex-Premier Rafik Hariri hat vor einem Sondertribunal in Leidschendam bei Den Haag der Prozess gegen die mutmasslichen Attentäter begonnen. Angeklagt sind vier libanesische Mitglieder der Hisbollah-Partei.

Der Anschlagsort vor dem Hotel St. Georges in Beirut 2005 (Bild: sda)

Neun Jahre nach dem tödlichen Anschlag auf den libanesischen Ex-Premier Rafik Hariri hat vor einem Sondertribunal in Leidschendam bei Den Haag der Prozess gegen die mutmasslichen Attentäter begonnen. Angeklagt sind vier libanesische Mitglieder der Hisbollah-Partei.

Die Männer werden verdächtigt, den Anschlag auf den sunnitischen Politiker und Milliardär geplant zu haben. Da die sie auf der Flucht sind, findet die Verhandlung ohne sie statt.

Das Attentat auf Hariri am 14. Februar 2005 in Beirut hatte das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Die Opposition machte das Nachbarland Syrien für den Anschlag verantwortlich. Nach wochenlangen Massenkundgebungen war die Regierung in Damaskus gezwungen, ihre Truppen nach Jahrzehnten aus Libanon abzuziehen.

Hariri hatte die syrische Militärpräsenz immer wieder kritisiert. Zugleich nahmen im Libanon, wo erst 1990 ein 15-jähriger Bürgerkrieg geendet hatte, schon damals die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten wieder zu.

2,5 Tonnen Sprengstoff

Im Verhandlungssaal in Den Haag zeigte ein grossformatiges Modell den Tatort an der vielbefahrenen Küstenpromenade, wo der bis heute nicht identifizierte mutmassliche Selbstmordattentäter in einem Kleinbus seine Bombe mit gut 2,5 Tonnen Sprengstoff gezündet hatte. 22 Menschen starben, 226 wurden verletzt.

«Das libanesische Volk hat ein Recht auf diesen Prozess und auf die Suche nach der Wahrheit», sagte der Ankläger Norman Farrel in seiner einleitenden Erklärung, die am Freitag fortgesetzt wird. Danach will er acht Zeugen vernehmen.

Die Anklage stützt sich auf Indizienbeweise. Sie basieren hauptsächlich auf Verbindungsdaten von Mobiltelefonen, welche die mutmasslichen Attentäter genutzt haben sollen. Im Oktober wurde bekannt gegeben, dass ein fünfter Verdächtiger angeklagt wurde, der ebenfalls flüchtig ist.

Obwohl die damalige Regierung in Beirut die Vereinten Nationen selbst um die juristische Aufarbeitung des Anschlags gebeten hatte, war das Sondertribunal umstritten. Der Streit führte im Januar 2011 sogar zum Sturz der Regierung von Hariris Sohn Saad, der inzwischen im Ausland lebt.

Auch Saad Hariri war zum ersten Prozesstag nach Den Haag gereist. Im Gespräch mit Angehörigen der anderen Anschlagsopfer sagte er: «Dies ist ein historischer Tag, der für die Gerechtigkeit im Libanon eine neue Seite aufschlägt.»

Hisbollah weist Beschuldigungen ab

Die Hisbollah bestreitet jegliche Verwicklung in den Anschlag, lehnt die Zusammenarbeit mit dem Sondertribunal aber ab und hat den Ermittlern mit Vergeltung gedroht, falls sie die Angeklagten verhaften sollten.

Im Falle einer Verurteilung durch die libanesischen und internationalen Richter droht den Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass sich der Prozess über Jahre hinziehen dürfte. Die Hisbollah ist nicht nur eine von Syrien unterstützte Miliz-Armee, sondern auch eine der Regierungsparteien im Libanon.

Krise dauert an

Der Prozess startet zu einem Zeitpunkt, zu dem der Libanon im Sog des Syrien-Krieges erneut in Gewalt zu versinken droht. Der Konflikt im Nachbarland entzweit Sunniten und Schiiten, zuletzt kam es deshalb immer wieder zu Anschlägen in libanesischen Grossstädten.

Kurz vor Beginn des Prozesses kamen im Libanon bei einem Anschlag drei Menschen ums Leben. Vier der über 40 Verletzten sind nach Angaben von Ärzten in kritischem Zustand. Der Sprengsatz detonierte vor einer Bank in der Stadt Hermel, einer Hochburg der Hisbollah. Es ist bereits der fünfte Anschlag auf Hochburgen der Hisbollah in nur einem halben Jahr.

Zum Anschlag bekannte sich der örtliche Ableger der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front. Der Anschlag sei eine Vergeltung für die sunnitischen Opfer des Bürgerkriegs in Syrien, hiess es in dem Bekennerschreiben, das über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet wurde.

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