Präsident Wladimir Putin hat einen teilweisen Abzug der russischen Truppen aus Syrien befohlen. Ab Dienstag solle das Hauptkontingent der russischen Streitkräfte in Syrien damit beginnen, aus dem Bürgerkriegsland abzurücken, sagte der Staatschef in Moskau.
«Die Aufgabe, die dem Verteidigungsministerium und den Streitkräften gestellt war, ist im Grossen und Ganzen erfüllt», sagte Putin laut mehreren russischen Medien bei einem Treffen mit Aussenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu. So sei es Russland mit seinem Einsatz in dem Bürgerkriegsland gelungen, einen Durchbruch im Kampf gegen den Terrorismus zu erzielen.
«Der russische Stützpunkt und der Flugplatz in Hmeimim (bei Latakia) werden weiter funktionieren. Sie sollen zuverlässig geschützt werden», so Putin. Er habe Syriens Machthaber Baschar al-Assad über die Entscheidung informiert.
Russland unterstützt seit mehreren Monaten Assad mit Luftangriffen. Sie sollen sich in erster Linie auf extrem radikale Gruppen wie die sunnitische Miliz Islamischer Staat (IS) oder den Al-Kaida-Ableger Nusra Front konzentrieren. Kritikern zufolge wurden aber auch gemässigte Gegner Assads gezielt massiv angegriffen.
Gespräche in Genf fortgesetzt
Er habe angeordnet, dass Russland jetzt eine grössere Rolle im Friedensprozess einnehmen solle, um den Konflikt zu beenden, sagte Putin weiter. Er hoffe, dass die Entscheidung für alle Seiten ein Signal sei und das Vertrauen für eine friedliche Lösung des Konflikts erhöhe.
Am Montag startete in Genf eine neue Runde der internationalen Gespräche zur Lösung des Konflikts. Die Vereinten Nationen streben bei den Syrien-Gesprächen in Genf einen konkreten Fahrplan für den Frieden an. Das Land stehe vor einer «Stunde der Wahrheit», sagte der UNO-Sondergesandte Staffan de Mistura zu Beginn der ersten von drei geplanten Verhandlungsrunden.
Zugleich betonte Mistura, es gebe für das Bürgerkriegsland «keinen Plan B» zu den Gesprächen. Das wäre nur eine Rückkehr zum Krieg, der dann noch schlimmer als bisher ausfallen könne. Für den Fall, dass die Teilnehmer nicht zu Verhandlungen bereit seien, drohte er damit, erneut den UNO-Sicherheitsrat anzurufen.
De Mistura traf sich am Vormittag in Genf zunächst mit dem Chefunterhändler der syrischen Regierung, UNO-Botschafter Baschar al-Dschaafari.
Nach dem Treffen mit De Mistura erklärte Al-Dschaafari, das Gespräch sei positiv und konstruktiv gewesen. Die Regierung habe Ideen für eine politische Lösung vorgelegt. Die Gespräche müssten unter Syrern ohne ausländische Einmischung und Vorbedingungen geführt werden.
An den Verhandlungen in Genf nehmen neben den Regierungsvertretern die wichtigsten Oppositionsbündnisse teil. De Mistura versicherte, allen Seiten Gehör zu schenken. Er verhandelt mit den Kriegsparteien zunächst in getrennten Treffen.
Übergangsregierung
Zu den Hauptthemen bei der Wiederaufnahme der im Februar auf Eis gelegten Friedensgespräche in Genf gehören die Bildung einer Übergangsregierung der nationalen Einheit, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen innerhalb von 18 Monaten und eine neue Verfassung.
Zentraler Streitpunkt ist weiterhin die Zukunft von Staatschef al-Assad. Syriens Aussenminister Walid Muallem hatte einen Machtverzicht des Staatschefs am Wochenende als «rote Linie» bezeichnet. Die syrische Opposition, die in Genf vom Hohen Verhandlungskomitee (HNC) vertreten wird, pocht hingegen auf einen Abgang des Machthabers.
Die Opposition will sich auf die Einsetzung einer Übergangsregierung konzentrieren und auf die territoriale Integrität Syriens dringen. Die erste Verhandlungsrunde soll laut De Mistura etwa bis zum 24. März dauern. Anschliessend solle es eine etwa zehntägige Pause geben, erklärte er. Der UNO-Gesandte will nach eigenen Angaben am Mittwoch Parlamentarier treffen.
Beteiligung der Kurden weiter strittig
Russland verlangte unterdessen erneut die Beteiligung der syrischen Kurden an den Gesprächen. Das gesamte politische Spektrum der Opposition müsse in Genf vertreten sein, sagte Aussenminister Lawrow. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien sind Verbündete der USA und Russlands im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Türkei betrachtet sie hingegen als Terrororganisation.
Seit rund zwei Wochen gilt in Syrien eine Waffenruhe, die laut US-Aussenminister John Kerry die Kämpfe um 80 bis 90 Prozent reduziert hat. Nach UNO-Angaben sind aber immer noch Hunderttausende notleidende Menschen für humanitäre Helfer nicht erreichbar.