Bei der 100. Ausgabe des Giro d’Italia deutet vieles auf ein Duell zwischen Vorjahressieger Vincenzo Nibali und dem Kolumbianer Nairo Quintana hin. Heute folgt der Auftakt in Alghero auf Sardinien.
Nach den ersten drei Etappen erfolgt ein Inselwechsel. Am Dienstag steht auf Sizilien die Bergankunft beim Ätna an. Ab Donnerstag schliesslich folgt die Fortsetzung der Rundfahrt auf dem italienischen Festland. In den 21 Etappen sind total 3612 Kilometer zu absolvieren. Dabei stattet der Giro 16 der 20 Regionen Italiens einen Besuch ab.
Nairo Quintana strebt das von Marco Pantani zuletzt 1998 realisierte Double aus Giro d’Italia und Tour de France (1. bis 23. Juli) an. In Frankreich belegte der Giro-Sieger von 2014 bereits dreimal eine Top-3-Schlussplatzierung – jeweils hinter dem siegreichen Chris Froome. Der Brite verzichtet wie in den vergangenen sechs Jahren auf die Teilnahme am Giro. An Froomes Stelle nimmt beim Team Sky sein Landsmann Geraint Thomas die Leaderrolle ein. Zu den Abwesenden in den kommenden drei Wochen gehört auch der Spanier Alberto Contador.
Vorbereitung in den Anden
Quintanas grosses Leistungsvermögen ist bekannt, sein aktueller Formstand allerdings weniger. Der 27-jährige Kolumbianer verbrachte nach seinem Triumph im März beim Tirreno-Adriatico fast eineinhalb Monate zur Vorbereitung in seiner Heimat. Zuletzt klassierte sich der Movistar-Captain bei der dreitägigen Asturien-Rundfahrt im 2. Gesamtrang. «Meine Absicht ist der Giro-Sieg – und danach das Double. Ob mir das gelingt, weiss ich nicht. Aber zumindest versuchen werde ich es», versprach der keine 60 kg schwere Kletterer aus den Anden.
Als Quintanas Hauptkonkurrent gilt Vincenzo Nibali aus dem Team Bahrain. Vor Jahresfrist triumphierte er beim Giro zum zweiten Mal nach 2013. Dabei gelang dem Sizilianer, der vor den letzten drei Etappen mit fast fünf Minuten Rückstand nur Gesamtvierter war, mit offensiver Fahrweise und dank grosser Unterstützung seiner Helfer der komplette Umsturz. Am Ende reihten sich hinter Nibali mit Esteban Chaves, Alejandro Valverde und Steven Kruijswijk gleich drei Fahrer mit weniger als zwei Minuten Rückstand ein. Auch die Vuelta (2010) und die Tour (2014) hat der 32-Jährige schon gewonnen.
Extrem schwierige Schlusswoche
Auch heuer darf sich der Träger der Maglia rosa des Sieges bis ganz zuletzt nicht sicher sein. In der dritten Woche lauern extreme Schwierigkeiten auf die Fahrer. Nicht weniger als fünf Teilstücke in den Alpen stehen im Programm, mit dem Stelvio auf 2758 Metern über Meer als höchstem Punkt der diesjährigen Rundfahrt. Die Entscheidung fällt wohl trotzdem erst am Schlusstag im flachen Einzelzeitfahren über 29,3 Kilometer von Monza nach Mailand. Eine weitere (hügelige) Prüfung gegen die Uhr findet zudem Anfang der zweiten Giro-Woche in der 10. Etappe von Foligno nach Montefalco (39,8 Kilometer) statt.
Pinot mit «Schweizer Garde»
Mit Thibaut Pinot startet heute auch ein Franzose mit grossen Ambitionen zu seinem ersten Giro. Der 26-Jährige vom französischen Team FDJ, 2014 Gesamtdritter bei der Tour de France, wäre der erste Giro-Sieger aus seinem Land seit Laurent Fignon (1989). In den Bergen vertraut Pinot auf seine «Schweizer Garde», bestehend aus dem kletterstarken Duo Steve Morabito/Sébastien Reichenbach.
Neben den zwei Wallisern nimmt mit Silvan Dillier nur noch ein weiterer Schweizer am diesjährigen Giro teil. Dem Aargauer kommt beim amerikanisch-schweizerischen BMC-Team, das mit dem Amerikaner Tejay van Garderen Ambitionen aufs Gesamtklassement hegt, ebenfalls die Rolle eines Helfers zu.
Hommage an Scarponi
Weniger als zwei Wochen vor seinem geplanten Start beim Giro verunglückte der 37-jährige Italiener Michele Scarponi auf einer Trainingsfahrt tödlich. Der kasachische Rennstall Astana verzichtet in Gedenken an den Giro-Sieger 2011 auf die Besetzung des neunten Fahrers und bestreitet die Rundfahrt nur zu acht. Neben einer Schweigeminute vor dem Start der 1. Etappe sehen die Giro-Organisatoren auch eine Würdigung von Scarponi vor. So wird dem ehemaligen Gesamtsieger am 23. Mai der Aufstieg zum Mortirolo gewidmet. Diesen Pass hatte Scarponi 2010 auf dem Weg zu seinem letzten Giro-Etappensieg bewältigt.